„Dezentralisierung von Speichertechnologien wird immer wichtiger“
FAU-Wissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Karl über Second Generation Fuels und Methanisierung
Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen bis zum Jahr 2050 circa 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen. Bis es soweit ist, müssen jedoch noch viele Herausforderungen gemeistert werden, nicht zuletzt die technische Umsetzung. Am 19. und 20. Mai treffen sich an der FAU Wissenschaftler aus ganz Europa, um in einem Workshop über aktuelle Entwicklungen bei Second Generation Fuels zu diskutieren. Im Interview mit FAU aktuell erklärt Prof. Dr. Jürgen Karl vom Lehrstuhl für Energieverfahrenstechnik an der FAU drängende Forschungsfragen und derzeitige Herausforderungen.
Der Workshop beschäftigt sich mit Power-to-Gas und Methanisierung. Worum handelt es sich dabei? Und was sind die Vorteile dieser beiden Technologien gegenüber anderen Speichertechnologien für Energie?
Durch die Methanisierung wird Synthesegas – also Wasserstoff und Kohlenmonoxid – in Methan konvertiert. Der Workshop behandelt also Technologien, mit denen aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff synthetisches Erdgas erzeugt werden kann. Dadurch können erneuerbare Energien wie Wind, Photovoltaik oder Biomasse im Gasnetz gespeichert werden.
Solche Speichertechnologien werden eine entscheidende Rolle für das Gelingen der bundesdeutschen und auch der weltweiten Energiewende spielen. Wenn im Jahr 2022, also in gerade mal sechs Jahren, die letzten noch verbleibenden Kernkraftwerke endgültig abgeschaltet werden, müssen geeignete Technologien verfügbar sein, um erneuerbare Energien aus Wind, Photovoltaik und Biomasse zu sichern und zu ergänzen, wenn zu wenig Wind oder Sonne bereitstehen. Auch weil zeitgleich immer mehr konventionelle Kraftwerke aufgrund ihres Alters vom Netz gehen werden. Power-to-Gas und die Methanisierung von Biomasse werden besonders für die langfristige Speicherung großer Energiemengen wichtig werden. Sie sind also vor allem zum Aufrechterhalten unserer Versorgungssicherheit von Bedeutung.
Was sind die zurzeit wichtige Forschungsfragen auf dem Gebiet?
Das sind zum einen die klassischen Fragen aller chemischen Synthesen: die Effizienz, die Haltbarkeit und Selektivität von Katalysatoren und natürlich die Reduktion von Kosten. Zum anderen wird aber derzeit die Dezentralisierung solcher Technologien immer wichtiger. Denn Power-to-Gas oder die Konversion von Biomasse kann immer nur in kleinen dezentralen Anlagen gelingen. Zudem ist auch aus Effizienz- und Akzeptanzgründen und nicht zuletzt aus Sicherheitserwägungen die Synthese in kleinen, dezentralen Anlagen gerade im dicht besiedelten Europa nicht nur sinnvoll, sondern auch leichter umsetzbar, als in den bisher üblichen Großanlagen. Die Kostenstrukturen dieser dezentralen Anlagenkonzepte unterscheiden sich jedoch grundlegend von denen großer Anlagen. Daher sind konventionelle technische Lösungen grundsätzlich zu hinterfragen.
Zu welchen Aspekten forschen Sie zurzeit an der FAU?
Unser Schwerpunkt liegt auf der Synthese von Erdgassubstituten aus Festbrennstoffen, also aus Holz, aber auch aus Kohle. Dabei untersuchen und optimieren wir beispielsweise die thermochemische Vergasung und integrierte Gasreinigungsschritte, mit denen wir das fossile CO2 abtrennen, um Kohle zumindest mit wesentlich reduzierten Treibhausgasemissionen nutzen zu können. Auch bei der Nutzung von Biomasse für Synthesen liegt der Schwerpunkt auf der Gasreinigung. Hier bereiten sogenannte Teere große Probleme, die sich wiederum durch eine geeignete Systemintegration beherrschen lassen. Besonders spannend finde ich persönlich auch ein aktuelles Projekt zur biologischen Methanisierung: Es gibt Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, – beispielsweise aus Tiefseevulkanen – die in der Lage sind, Wasserstoff und CO2 in Methan umzusetzen. Wenn es gelingt, diese Archaeen an unser Holzgas zu gewöhnen, wäre das eine echter Durchbruch.
Was sind die Herausforderungen, um Power-to-Gas marktfähig zu machen bzw. flächendeckend einzuführen?
Die Frage lässt sich nur recht ernüchternd beantworten. Ohne Förderung wird es zunächst nicht gehen. Diese Technologien sind noch weit entfernt von jeder wirtschaftlichen Umsetzung. Dies liegt zum einen daran, dass ein geeigneter Business-Case fehlt: Gerade „strategische“ Speicher für große Energiemengen, die eigentlich gar nicht zum Einsatz kommen sollen, sondern nur für den Fall der Fälle bereitstehen, können mit diesem Einsatzzweck gar kein Geld verdienen. Hier sind geeignete Marktmodelle gefragt, die den Systemnutzen vergüten. Oder eben Förderungen, die wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bei Wind und Photovoltaik eine Anschubfinanzierung für einen weltweiten Markterfolg begründeten. Dann könnten auch Methanisierung und Power-to-Gas so günstig werden, dass synthetisches Erdgas aus erneuerbaren Energien konkurrenzfähig wird und wir mit diesen Technologien auch gespeicherte Windenergie, Biomasse und Solarenergie aus Kanada, Patagonien oder Australien zu uns nach Europa bringen könnten.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jürgen Karl
Tel.: 0911/5302-9021
juergen.karl@fau.de