Ein zweites Leben für Raghad
Kleines Mädchen aus Syrien dank Erlanger Unterstützung endlich gesund
Die letzte der drei lebensrettenden Operationen fand ausgerechnet an Raghads erstem Geburtstag statt: So feierte das kleine Mädchen aus Syrien nicht nur den Beginn seines zweiten Lebensjahres, sondern auch den Schritt in ein normales Leben. Denn als Raghad im April 2015 das Licht der Welt erblickte, diagnostizierten die Ärzte einen schweren Herzfehler. Eine lebensrettende OP inmitten eines im Bürgerkrieg befindlichen Landes? Schon damals undenkbar. Einer engagierten Bekannten der Familie gelang es, das Kind und seinen Vater nach Deutschland zu holen; vor Ort leistete der Verein „Erlangen hilft“ monatelang wertvolle Unterstützung. Die beiden Notfalleingriffe gleich im August 2015, die weitere Behandlung und die folgenden Operationen übernahmen die Ärzte und die Pflegefachkräfte der Kinderherzchirurgischen sowie der Kinderkardiologischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen im Rahmen der Aktion „Kinderherz-OP“ – für die die Bevölkerung Erlangens und der Umgebung großzügig spendete!
„Dass meine Tochter heute noch lebt, dass sie lacht und ich sie aufwachsen sehen kann, das verdanken wir der enormen Hilfsbereitschaft“, sagt Vater Ayman. „Von den Mitarbeitern der Kinderklinik des Uni-Klinikums Erlangen über die städtischen Behörden bis hin zum Verein und den zahlreichen Privatpersonen: So viele haben uns zur Seite gestanden.“ Neben den finanziellen Spenden und der medizinischen Versorgung waren vor allem die moralische Unterstützung und die menschliche Begleitung besonders wichtig, denn seit der beschwerlichen Reise nach Deutschland sind Raghad und ihr Vater getrennt von Mutter Ghufran und der inzwischen zehnjährigen Schwester Riem, die beide nach wie vor in Syrien leben. „Eine mitunter sehr schwere Zeit“, weiß Dr. Faidi Omar Mahmoud, stellvertretender Vorsitzender von „Erlangen hilft“ und ehemaliger Mitarbeiter des Uni-Klinikums Erlangen.
Mehrere Eingriffe am Herzen
„Als Raghad vor rund neun Monaten spätabends bei uns eintraf, war sie kritisch krank“, erinnert sich Prof. Dr. Sven Dittrich, Leiter der Kinderkardiologie des Uni-Klinikums Erlangen. Gleich die erste Untersuchung bestätigte die Diagnose, dass das Kind ohne Notfalleingriffe jederzeit sterben könnte. „Die Hauptschlagaderklappe und die Hauptschlagader selbst waren hochgradig verengt. Fast das gesamte Blut staute sich in der linken Herzkammer und der Vorkammer des Herzens“, erläutert Prof. Dr. Robert Cesnjevar, Leiter der Kinderherzchirurgie des Uni-Klinikums Erlangen. Zunächst beseitigten die Kinderkardiologen im Herzkatheterlabor mithilfe eines Ballonkatheters die Verengung der Hauptschlagaderklappe, am folgenden Tag begannen die Kinderherzchirurgen im Rahmen eines ersten mehrstündigen Eingriffs mit der Behebung des Herzfehlers. Dabei wurden eine hochgradige Verengung an der Hauptschlagader (Aorta) entfernt und die gesunden Aorten-Enden anschließend wieder zusammengenäht, sodass nur noch die Problematik der fehlgebildeten Herzklappen in der linken Herzkammer verblieb.
In den folgenden Monaten verschlechterten sich relativ schnell sowohl die Funktion der zu engen Aortenklappe (Taschenklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader) als auch die der undichten Mitralklappe (Segelklappe zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer). Deshalb musste Raghad mit einer, durch den Herzfehler stauungsbedingten Lungenentzündung erneut als Notfall am Uni-Klinikum aufgenommen und zeitnah operiert werden. Dabei wurden die fehlgebildete Mitralklappe ersetzt und die bei der Herzkatheteruntersuchung aufgedehnte Aortenklappe operativ geweitet sowie mit einem zusätzlichen Flicken repariert. Das kleine Mädchen erholte sich sehr rasch von dieser Operation. Wenige Wochen später kam es allerdings zu einem Teilausriss der implantierten Prothese, der wahrscheinlich durch einen Infekt verursacht wurde. Die betroffene Herzklappe wurde im April ausgetauscht, sodass Raghad sich diesmal ohne begleitenden Infekt gut erholen konnte.
Allen Schwierigkeiten, die es im Laufe seines kurzen Lebens schon bewältigen musste, zum Trotz, blickt das kleine aufgeweckte Mädchen mit den großen Augen inzwischen voller Neugier in die Welt und steckt sein Umfeld mit seinem fröhlichen Lachen an. „Zwar muss Raghad weiterhin Medikamente nehmen und regelmäßig kardiologisch untersucht werden“, sagt Prof. Dittrich, „aber im Moment sieht es ganz so aus, als ob sie künftig ein weitestgehend normales Leben führen kann – so wie wir es schon im vergangenen Sommer gehofft haben: Sie und ihre Familie haben nun eine neue Perspektive.“
Aktion Kinderherz-OP
Die Aktion „Kinderherz-OP“ ist eine Initiative der Kinderkardiologischen Abteilung und der Kinderherzchirurgischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen. Ihr Ziel: bedürftige, schwer herzkranke Kinder aus dem Ausland in Erlangen zu heilen. Dieses Ziel kann das Uni-Klinikum Erlangen als Anstalt des öffentlichen Rechts nicht aus eigenen Mitteln finanzieren und ist deshalb auf Spenden angewiesen. Die Spendengelder werden ohne Abzug von Verwaltungskosten, Kontogebühren oder Sonderhonoraren ausschließlich für die medizinische Behandlung verwendet.
Webseite Aktion „Kinderherz-OP“
Erlangen hilft e. V.
Der Verein „Erlangen hilft“ ist seit zehn Jahren aktiv und setzt sich für Kinder und Jugendliche mit lebensbedrohlichen und schweren Erkrankungen ein, die aus Krisen-, Katastrophen- und Kriegsgebieten kommen und denen in ihrer Heimat nicht geholfen werden kann.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Sven Dittrich
Tel.: 09131 85-33750
kinderkardiologie@uk-erlangen.de
Prof. Dr. Robert Cesnjevar
Tel.: 09131 85-34010
kinderherzchirurgie@uk-erlangen.de