Prof. Heinrich Pehle über die Landtagswahlen 2016

Professor Heinrich Pehle ist Politik-Experte und Akademischer Direktor des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft der FAU. (Bild: Milena Kühnlein)
Prof. Dr. Heinrich Pehle ist Politik-Experte und Akademischer Direktor des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft der FAU. (Bild: Milena Kühnlein)

Kaum gab es die ersten Hochrechnungen zum Wahlausgang der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz am vergangenen „Super-Wahlsonntag“ erschienen in den Medien die ersten Kommentare über das Abschneiden der AfD. Studentin Milena Kühnlein, Bloggerin bei meineFAU, befragte den Politik-Experten und Akademischen Direktor des Lehrstuhls für Politische Wissenschaft der FAU, Professor Dr. Heinrich Pehle, dazu, wie er die Ergebnisse bewertet, ob er die AfD für ein kurzfristiges Phänomen hält, und was er zur vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung sagt.

Professor Pehle, wie haben sie persönlich den Ausgang der Landtagswahlen aufgenommen? Waren Sie geschockt?

Geschockt war ich überhaupt nicht. Ich bin Politikwissenschaftler – da geht es nicht um meine persönliche Befindlichkeit. Als Politikwissenschaftler muss ich versuchen, distanziert mit solchen Dingen umzugehen. Ich war nicht mal überrascht. Alles, was die Demoskopie uns vorhergesagt hat, hat eigentlich ähnliche Ergebnisse erwarten lassen. Insofern habe ich dann versucht, einigermaßen gelassen mit den Dingen umzugehen. Es sind zum Teil auch ganz erstaunliche Befunde zu Tage getreten. Über diese muss man nachdenken, reden und sie analysieren.

Halten Sie die AfD für ein kurzfristiges Phänomen, oder denken Sie, die Partei wird sich langfristig etablieren? Haben Sie Prognosen für die kommende Zeit?

Mit Prognosen sollte man immer vorsichtig sein. Richtig ist mit Sicherheit, dass die aktuelle Flüchtlingskrise zumindest der Anlass für viele Wählerinnen und Wähler gewesen ist, der AfD ihre Stimme zu geben. Ob das aber die einzige Ursache ist, würde ich mal dahingestellt lassen. Die Tatsache, dass wir in Sachsen-Anhalt höhere Ergebnisse für die AfD haben als in den beiden westlichen Bundesländern, deutet ja darauf hin, dass sich in irgendeiner Weise noch andere Befindlichkeiten niedergeschlagen haben. Wir sehen beispielsweise, dass wir im Osten noch keine gefestigten Parteibindungen haben. Dazu mögen weitere Faktoren kommen: eine hohe Arbeitslosigkeit, die demoskopische Entwicklung, die Wanderung von Ost nach West und ein Gefühl der Benachteiligung.

Das könnte die Neigung verstärkt haben, eine Art Protestwahl zu vollziehen. Das sieht man auch daran – und dies gilt jetzt wieder für alle drei Bundesländer -, dass etwa 40 Prozent der AfD-Wähler aus dem bisherigen Nichtwählerlager stammen, wenn die Wählerwanderungsbilanzen verlässlich sind, wovon ich ausgehe. Jetzt ist es spannend, sich zu überlegen, ob das ein Wählerverhalten ist, das sich in irgendeiner Form festigt. Dazu kann man eigentlich wenig sagen; das muss man schlicht und ergreifend abwarten. Diese Ergebnisse heißen ja auch, dass die AfD von allen anderen Parteien in unterschiedlichem Maße auch noch Wähler abgezogen hat. Das ist ein Befund, der nicht neu ist. Die sogenannte Volatilität, also die Anzahl der Wechselwähler, nimmt zu. Es könnte durchaus sein, dass sich diese Wähler wieder zurückbewegen. Das hängt davon ab, wie sich die AfD in Zukunft verhalten wird.

Zum Thema Wahlbeteiligung: Es haben mehr Menschen gewählt als sonst.

Ja. Das ist einer der Fakten für eine Protestwahl – was auch ziemlich eindeutig auf den letzten Sonntag zuzutreffen scheint. Was ich auch interessant finde ist, dass viele, die die AfD gewählt haben, eigentlich nichts von der Partei erwarten – das haben Nachwahlbefragungen zu Tage gebracht. Also dass sie schlicht und ergreifend eine Denkzettelwahl vollzogen haben.

Was wird sich jetzt ändern?

Die Bundeskanzlerin hat bislang ganz deutlich gemacht, dass sie an ihrer Position nichts ändern will und nichts ändern wird. Daran hält sie fest – auch angesichts der massiven Kritik aus der CSU, ihrer Schwesterpartei. Viel spannender sind für mich zwei andere Dinge: Zum einen die Frage, wie es mit der Möglichkeit von Regierungsbildungen aussieht. Und zum zweiten, dass ich die sogenannten „Volksparteien“ in der Krise sehe – was mir in der Tat Sorgen macht; da kann man auch politisch stehen wie man möchte.

Insbesondere die SPD ist meiner Meinung nach in einer existentiellen Krise und das muss einem Sorgen machen – schlicht und ergreifend deswegen, weil unser Parteiensystem vor gravierenden Einschnitten und Änderungen steht. Wie die sogenannten Volksparteien damit umgehen, müssen wir abwarten. Das ist nicht nur eine Krise der SPD. Auch die CDU hat gehörige Probleme. Ob sich die Krise des Parteiensystems – wenn es denn eine Krise ist – in dem Moment wieder beruhigen würde, wenn (was ich nicht glaube, aber es könnte durchaus sein) in absehbarer Zeit die Flüchtlingsproblematik einigermaßen befriedigend gelöst wurde, ist auch wieder etwas, das man nicht prognostizieren kann.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Heinrich Pehle
Tel.: 09131/85-23997
heinrich.pehle@fau.de

 

Foto zum Download (Bild: Milena Kühnlein)