Sozialunternehmen: Mehr als nur eine Mode
Prof. Dr. Matthias Fifka darüber, was Sozialunternehmen leisten können – und was nicht
In einer Zeit, in der das Vertrauen in Unternehmen zunehmend verloren zu gehen droht, treffen Sozialunternehmen einen Nerv. Statt Gewinne zu maximieren, wollen sie soziale, ökologische und kulturelle Probleme lösen. Eines der wohl bekanntesten Beispiele für ein solches Sozialunternehmen ist die Grameen Bank, deren Gründer Muhammad Yunus dafür 2006 den Friedensnobelpreis bekommen hat. Die Bank vergibt Kleinkredite an potenzielle Unternehmer, andere Dorfbewohner bürgen dafür. Wird der Kredit eine Weile problemlos bedient, können auch andere Gruppenmitglieder einen Kredit aufnehmen. Ein Interview mit Unternehmensethiker Prof. Dr. Matthias Fifka, Inhaber der Professur für Betriebswirtschaftslehre an der FAU.
Herr Professor Fifka, was ist ein Sozialunternehmen?
Da gibt es in der Wissenschaft noch etwas Uneinigkeit, aber ich glaube, der Konsens liegt zumindest darin, dass der Unternehmer nicht nur einen Wert für sich selbst, sondern in erheblichem Maße auch für die Gesellschaft generiert. Strittig sind etwa Fragen, inwieweit der Unternehmer mit einem solchen Social Business auch reich werden darf, oder ob Anteilseigner eingebracht werden dürfen.
Was unterscheidet ein Sozialunternehmen von Wohltätigkeitsorganisationen und der Corporate Social Responsibility klassischer Unternehmen?
Im Gegensatz zur Wohltätigkeitsorganisation spielt der Entrepreneurship-Gedanke eine große Rolle, das heißt, man überlegt sich, wie man neue Lösungen für soziale Probleme anbieten kann.
Außerdem trägt sich ein Sozialunternehmen selbst. Wenn sie dagegen die deutschen Wohlfahrtsverbände nehmen, da sind etwa 90 Prozent des Budgets staatliche Gelder. Bei CSR sprechen wir über Unternehmen, bei denen die Profitorientierung im Mittelpunkt steht. Da geht es darum, wie ich die Gewinne mache, dass ich sie also verantwortlich mache. Im Sozialunternehmen werden Gewinne auch nicht ausbezahlt, wie im klassischen Unternehmen, sondern für den sozialen Zweck wiederver-
wendet.
Welche Motive stehen hinter der Gründung – gibt es typische Unternehmerpersönlichkeiten?
Empirische Befunde zeigen, es gibt nicht das eine Bild des Sozialunternehmers. Tendenziell sind es aber jüngere Leute, klassischerweise mit Hochschulabschluss. Es gibt aber auch zahlreiche Unternehmer, die in der Vergangenheit in gewinnorientierten Unternehmen Erfolg hatten und die jetzt ihr Wissen für einen sozialen Zweck nutzen wollen. Das ist oft auch eine gute Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens.
Sehen sie in diesem Bereich einen Trend?
Ja, auf jeden Fall. Wenn man aber sagt, Sozialunternehmen sind eine Modeerscheinung, wird man dem nicht ganz gerecht, denn das hieße ja, sie verschwinden irgendwann wieder. Aber es gibt schon auch gute Gründe für die Existenz solcher Unternehmen, nämlich, dass wir Probleme haben bei uns in der Gesellschaft, die die klassischen Unternehmen nicht lösen und die auch der Staat nicht mehr zu lösen in der Lage ist. Da haben wir eine Lücke und in diese Lücke springen Sozialunternehmen. Und da diese Lücke in Zukunft nicht kleiner werden wird, glaube ich auch nicht, dass diese Unternehmen an Bedeutung verlieren werden.
Welche Hürden gibt es auf dem Weg von einer guten Idee bis hin zum erfolgreichen Unternehmen?
Aus meiner Warte heraus gibt es zwei ganz zentrale Probleme. Zum einen die mangelnde Erfahrung oder gar die Unkenntnis darüber, wie ein Unternehmen zu führen ist. Oft ist zwar die Idee gut, aber es fehlt einfach das betriebswirtschaftliche Know-how für eine erfolgreiche Umsetzung. Wir dürfen nicht vergessen: Wir sprechen über ein Unternehmen, das den normalen Marktgesetzen unterliegt! Wenn da das Wissen fehlt, kann die Idee noch so gut sein, Sie werden keinen Erfolg haben. Das zweite Problem ist die Generierung von Kapital.
Ist diese Beschaffung von finanziellen Mitteln für Sozialunternehmen schwieriger als für klassische Start-ups?
Zumindest insofern, als dass es bei Banken meistens eine gewisse Skepsis hervorruft, wenn jemand ein Unternehmen gründet, für das Gewinnerzielung nicht der einzige Zweck sein soll. Wir haben aber schon auch andere Finanzierungsquellen, wie zum Beispiel Crowdfunding. Das funktioniert zwar ganz gut, aber es ist immer fraglich, ob dadurch wirklich der Kapitalstock zusammenkommt, den ich am Ende brauche.
Inwieweit können Sozialunternehmen staatliche Aufgaben ersetzen?
Sie können das schon zu einem gewissen Grad, ich wäre aber vorsichtig zu sagen, die sind so eine Art Ersatz für unzureichendes Handeln des Staates. Damit würde man ihnen eine Aufgabe aufbürden, die sie nicht leisten können. Wichtig ist, dass man als Sozialunternehmen das Ziel hat, ein soziales Problem zu lösen. Zu sagen, ich springe für den Staat in die Bresche, wäre ein falsches Verständnis.
Entsteht nicht auch andersherum eine Gefahr – dass also der Staat versucht, bestimmte Aufgaben auf Sozialunternehmen abzuwälzen?
Klar, das ist in vielen Fällen die staatliche Denke. Das sehen Sie ja auch bei der CSR klassischer Unternehmen: Da fördert der Staat CSR-Maßnahmen, weil er sagt, wir können das nicht mehr machen, in der Hoffnung, dass andere Akteure das übernehmen. Die Gefahr besteht für Sozialunternehmen natürlich auch.
Wo sehen sie denn die Grenzen des Modells „Sozialunternehmen“?
Da gibt es schon viele Grenzen. Ich denke da an staatliche Leistungen, die sich einfach nicht marktlich tragen lassen. Nehmen sie öffentlichen Nahverkehr in ländlichen Gegenden, das ist einfach ein defizitäres Geschäft. Das kann auch ein Sozialunternehmen nicht leisten, so etwas muss der Staat stemmen. Zum anderen können Sozialunternehmen primär Leistungen erbringen, bei denen sich der soziale Zweck gut mit dem Unternehmenszweck kombinieren lässt. Ich könnte mir nur schwer ein Sozialunternehmen im Mineralölgeschäft vorstellen.
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Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander, das Sie hier als PDF herunterladen können.
Weitere Themen der Ausgabe Nr. 100: ein Gespräch mit Dr. Brigitte Perlick darüber, wie sich die FAU für Flüchtlinge einsetzt, ein Blick in das digitale Herz der FAU und ein Artikel über fünf Schüler, die zusammen mit einem Studenten die Macht der Sprache entdecken.
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