Kein erhöhtes Krebsrisiko bei Hormonstörung Akromegalie

Beteiligung von Erlanger Experten an bundesweiter Studie zum Krebsrisiko bei der Hormonstörung Akromegalie

In ihm hatte James Bond einen seiner größten Gegner – im wahrsten Sinne des Wortes! Als „Beißer“ beeindruckte der Schauspieler Richard Kiel mit seinen 2,17 Meter Körpergröße nicht nur 007, sondern rückte in seiner Filmrolle als riesiger Bösewicht auch seine eigene Erkrankung ins Rampenlicht. Denn der US-Amerikaner litt unter Akromegalie: einer Hormonstörung, deren auffälligstes Symptom die Vergrößerung der Extremitäten ist. „Die Akromegalie, deren Ursache meist ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangdrüse ist, tritt nur selten auf und wird häufig erst spät diagnostiziert“, erläutert Prof. Dr. Christof Schöfl, Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie und Diabetologie der Medizinischen Klinik 1 – Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie (Direktor: Prof. Dr. Markus F. Neurath) des Universitätsklinikums Erlangen der FAU. „In ganz Deutschland sind lediglich 5.000 bis 10.000 Menschen betroffen.“ Umso schwieriger ist es für die Wissenschaftler, zum Wohl ihrer Patienten zu forschen. Erlanger Ärzte waren nun an einer bundesweiten Studie beteiligt, die belegt, dass das Krebsrisiko bei Personen mit Akromegalie – wider die bisher vorherrschende Annahme – nicht höher ist als beim Rest der Bevölkerung.

Für die Studie arbeiteten Wissenschaftler aus sieben deutschen, auf die Behandlung von Akromegalie spezialisierten Zentren zusammen: Erlangen, Leipzig, München (2x), Oldenburg, Stuttgart und Wiesbaden. Grundlage der Erhebung waren die anonymisierten Daten von rund 450 Patienten, die mit den Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten im Robert Koch-Institut verglichen wurden. Im Fokus der Untersuchung lagen zu Beginn Krebserkrankungen der Brust, des Darms, der Prostata und der Schilddrüse. „Hier hat sich unsere fundierte strukturelle Arbeit ausgezahlt, denn in den vergangenen Jahren haben wir in Deutschland gemeinsam die weltweit größte Akromegalie-Datenbank aufgebaut“, freut sich Prof. Schöfl, seit 2008 Vorsitzender des Deutschen Akromegalie-Registers. „Wir wussten, dass das die einzige reelle Chance für unsere Patienten ist: Eine Verbesserung der Behandlung ist nur auf Basis von validen Daten möglich. Und genau die sind im Fall einer seltenen Erkrankung nur sehr schwer zusammenzutragen.“

Widersprüche aufgelöst – unnötige Ängste genommen

Bisher wurde davon ausgegangen, dass Akromegalie-Patienten ein deutlich höheres Krebsrisiko als der Rest der Bevölkerung haben. Deswegen empfohlen Ärzte den Betroffenen, meist schon bei der Diagnosestellung, frühzeitig und regelmäßig Krebsvorsorge in Anspruch zu nehmen. „Das ist grundsätzlich nicht falsch“, sagt Prof. Schöfl. „Allerdings beruhte die bisherige Annahme auf veralteten und auch widersprüchlichen Daten. In den vergangenen 15 bis 20 Jahren wurde die Therapie jedoch weiterentwickelt. Die Daten unserer Patienten zeigen, dass sich die frühere Hypothese dank moderner Medizin heute nicht mehr halten lässt. Menschen mit Akromegalie müssen keine unnötige Angst vor Krebs haben.“ Nichtsdestotrotz sei es natürlich weiterhin wichtig, Vorsorge zu betreiben: „Natürlich raten wir unseren Patienten auch jetzt noch, zum Screening zu gehen. Wir wissen aber, dass sie kein spezifisches Programm benötigen, also nicht früher oder häufiger zum Arzt gehen müssen als ihre Verwandten und Bekannten.“

Behandlung nur beim Experten – Schwerpunkt in Erlangen

Der Erlanger Endokrinologe empfiehlt Menschen mit Akromegalie allerdings dringend, sich in einem ausgewiesenen Zentrum behandeln zu lassen. Da es sich um eine seltene Erkrankung handelt, sei es für viele Haus- und Fachärzte umso schwieriger, sie schnell und eindeutig zu erkennen. „Dabei ist die frühzeitige Diagnose von entscheidender Bedeutung“, sagt Christof Schöfl. „Bei rechtzeitigem Befund ist es noch möglich, den Tumor vollständig aus der Hypophyse zu entfernen. Das sichtbare Ausmaß der Hormonstörung lässt sich dadurch deutlich reduzieren.“ In Erlangen sind etwa 70 Personen, in der ganzen Europäischen Metropolregion Nürnberg ca. 100 bis 150 betroffen, schätzt der Experte. Neben dem Schwerpunkt am Uni-Klinikum Erlangen gibt es bundesweit weitere 56 Zentren, die im Rahmen des Deutschen Akromegalie-Registers zusammenarbeiten und zum Wohl ihrer Patienten Wissen austauschen und weitergeben.

Was ist Akromegalie?

Ursache der Akromegalie ist meist ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Zu Beginn der Erkrankung kaum spür- oder sichtbar löst dieser eine Überproduktion des Wachstumshormons Somatotropin aus. Erste Symptome sind beispielsweise die Zunahme von Ring- und Schuhgröße, vergrößerte Zahnabstände, aber auch Kopf- und Rückenschmerzen sowie vermehrtes Schwitzen und Schnarchen. Im Krankheitsverlauf klagen Betroffene auch über Sehstörungen, Bluthochdruck oder Diabetes. Akromegalie wird häufig erst nach Jahren erkannt, wenn sich Hände und Füße stark vergrößert und die Gesichtszüge sich bereits deutlich sichtbar vergröbert haben. Therapie der Wahl ist die neurochirurgische Tumorentfernung. Daneben besteht die Möglichkeit der medikamentösen Behandlung und in seltenen Fällen eine Bestrahlung. Die Hormonstörung kann zwar gestoppt werden, doch die Vergrößerung der Körperteile ist irreversibel.

Die Studie wurde im August 2015 online und im Oktober 2015 unter dem Titel „The Incidence of Cancer Among Acromegaly Patients: Results From the German Acromegaly Registry“ im Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism publiziert (Petroff et al. J Clin Endocrinol Metab 100: 3894-902, 2015).

Weitere Informationen:

Website des Deutschen Akromegalie-Registers: www.akromegalie-register.de

Prof. Dr. Christof Schöfl
Tel.: 09131 85-36140
christof.schoefl@uk-erlangen.de