Turbulenzen auf dem Vormarsch

Bild: PantherMedia/Dariusz Kuzminski
Bild: PantherMedia/Dariusz Kuzminski

Internationales Forscherteam erklärt erstmals das Auftreten einer vollständig turbulenten Strömung

Turbulenzen beeinflussen nicht nur unser Wohlbefinden auf Flugreisen, sie spielen auch in der Natur und der Technik eine zentrale Rolle: Sie bestimmen etwa, wie sich Abgase in der Atmosphäre ausbreiten, wie effizient sich Treibstoff und Luft in Verbrennungsmotoren vermischen, und sie limitieren den Flüssigkeitstransport durch Pipelines. Wissenschaftler versuchen deshalb schon seit über hundert Jahren, Turbulenzen und deren Entstehung besser zu verstehen. Ein wichtiger Fortschritt ist nun einer internationalen Forschungsgruppe gelungen, an der auch die FAU beteiligt war. In der aktuellen Ausgabe von Nature*, beschreibt das Team erstmals, wie sich in Rohr- und Kanalströmungen eine vollständig turbulente Strömung einstellt.

Obwohl auch schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten Turbulenzen lokal in turbulenten Flecken auftreten können, bleibt der Großteil des Fluids unbeeinflusst und strömt geradlinig – in einer sogenannten laminaren Strömung – weiter. Bei etwas höheren Strömungsgeschwindigkeiten ändert sich dies allerdings grundlegend. Das Fluid hat nun eine höhere kinetische Energie, wodurch turbulente Flecken stabilisiert werden und unaufhaltsam anwachsen. Das hat zur Folge, dass alle laminaren Bereiche ausgelöscht werden und das gesamte Fluid verwirbelt wird. Ab diesem Moment ist die Strömung voll turbulent.

Die Forscher des IST Austria, der Universität Erlangen-Nürnberg, des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation sowie der University of Warwick konnten dieses Verhalten in Experimenten und hochaufgelösten Computersimulationen beobachten. Erstmalig gelang es dem Team durch ein mathematisches Modell zu belegen, welcher Zustand – also lokale oder kontinuierlich sich ausbreitende Turbulenz– bei welchen Strömungsgeschwindigkeiten auftritt. Eine entscheidende Rolle spielen hier die Fronten, die an den Grenzflächen zwischen laminaren und turbulenten Bereichen auftreten und ihre Stabilität ändern.

„Unsere Erkenntnisse zum Ursprung der Turbulenz sind ein wichtiger Ansatzpunkt, um in Zukunft auch hochgradig turbulente Strömungen besser verstehen zu können”, meint Prof. Dr. Björn Hof vom IST Austria. Dass diese Frage nicht nur aus grundlegenden Gesichtspunkten interessant ist, lässt sich am konkreten Beispiel von Ölpipelines zeigen: Für die Pumpkosten sind Milliardenbeträge nötig, die hauptsächlich durch Reibungsverluste aufgrund von Turbulenzen verursacht werden. FAU-Professor Dr. Marc Avila vom Lehrstuhl für Strömungsmechanik erklärt: „Die gewonnenen Einblicke in das Innenleben der Turbulenz weisen den Weg diese auch zu bändigen. Bis dahin gibt es noch einige Hürden. Aber würde es gelingen, die Strömung dauerhaft laminar zu halten, so würde der Großteil der bisherigen Transportkosten einfach wegfallen. Eine Erweiterung der Modellierung hin zu äußeren Strömungen wie etwa um einen Tragflügel hätte enormes Potenzial und wird derzeit vorbereitet.”

*doi:10.1038/nature15701

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