Mitten in die Politik wirken

Prof. Dr. Petra Bendel in Zaatari, einem der größten Flüchtlingslager der Welt. (Bild: Steffi Kraehmer)
Prof. Dr. Petra Bendel in Zaatari, einem der größten Flüchtlingslager der Welt. (Bild: Steffi Kraehmer)

Ein Interview mit Prof. Dr. Petra Bendel über Flüchtlingspolitik

Professor Petra Bendel, Leiterin des Zentralinstituts für Regionenforschung der FAU, war im Februar einem der größten Flüchtlingslager der Welt: in Zaatari, Jordanien. Wir haben sie über ihre Erfahrungen dort, Flüchtlingspolitik und einen neuen Studiengang befragt, den sie in Jordanien mit aufbaut.

Professor Petra Bendel, was haben Sie dort erlebt?

Zaatari liegt mitten in der Wüste an der Grenze zu Syrien. Die Regierung, das UN-Flüchtlingshilfswerk und Hilfsorganisationen erbringen erhebliche logistische Leistungen, um die Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Aber die Flüchtlinge sitzen in einer Mausefalle: Weder können sie auf absehbare Zeit zurück in ihre Heimat noch können sie sich im Aufnahmeland integrieren. Ihnen die Möglichkeit zu geben, das Erlebte zu verarbeiten, eine Perspektive zu entwickeln – das ist eine riesige Herausforderung.

 

Im Zaatari-Camp hat sich eine rege Händlerszene etabliert. (Bild: Petra Bendel)
Im Zaatari-Camp hat sich eine rege Händlerszene etabliert. (Bild: Petra Bendel)

Warum waren Sie dort?

Wir bereiten an der German Jordanian University unter der Federführung von Prof. Andreas Geiger von der Hochschule Magdeburg-Stendal einen sehr praxisorientierten Studiengang zur Sozialarbeit mit Flüchtlingen vor, der im Herbst starten soll. Die Jordanier und auch die im Land tätigen Hilfsorganisationen benötigen dringend gutes Personal, und das soll jetzt mit einer Kooperation ausgebildet werden.

Wie sind Sie an dem geplanten Masterstudiengang in Jordanien beteiligt?

Mein Part ist es, die Ergebnisse der Migrationsforschung an die neuen Studierenden, die „aus dem Feld kommen“, weiter zu vermitteln.

Ein junges Mädchen geht zur Schule. Wie sehr sie sich darüber freut, ist offensichtlich. (Bild: Petra Bendel)
Ein junges Mädchen im Camp geht zur Schule. Wie sehr sie sich darüber freut, ist offensichtlich. (Bild: Petra Bendel)

Was nehmen Sie aus Jordanien mit nach Deutschland?

Die Überzeugung, dass Flüchtlinge Menschen mit Rechten sind, keine Bittsteller und keine Almosenempfänger, dies auch nicht sein wollen. Das Bewusstsein, dass es immer um das „Empowerment“ von Flüchtlingen gehen muss: darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen, sich wieder sicher zu fühlen und das eigene Leben so in die Hand zu nehmen, wie es den eigenen Bedürfnissen entspricht. Umgekehrt bin ich sicher, dass ich die Erfahrungen der Studierenden aus Jordanien an unsere FAU-Studierenden weitergeben kann. Die können auch, dank eines Abkommens der Philosophischen Fakultät mit der German Jordanian University, in Jordanien studieren.

Sie beschäftigen sich auch auf europäischer Ebene mit dem Thema Flüchtlingspolitik …

Ja, das ist seit mehr als 15 Jahren mein Schwerpunkt, unter anderem im Rahmen meiner Habilitationsschrift. Meine wissenschaftlichen Studien werden auch von politischen Entscheidungsträgern genutzt, zum Beispiel vom Migration Policy Institute, aber auch im Rahmen von Anhörungen in Parlamenten. Momentan arbeite ich etwa an einem Gutachten für eine politische Stiftung, mit der ich im September in Brüssel Entscheidungsträger aus Deutschland und Europa zusammenbringen werde. Dabei geht es um die Analyse der aktuellen EU-Flüchtlingspolitik, Stichworte Schmugglerbekämpfung, Seenotrettung, Verteilungsquoten, aber auch darum, „quer zu denken“, Alternativen zu öffnen.

Junge Männer lernen den Friseur- und Barbierberuf, den man im Flüchtlingscamp sehr gut gebrauchen kann. (Bild: Petra Bendel)
Junge Männer lernen den Friseur- und Barbierberuf,
den man im Flüchtlingscamp sehr gut gebrauchen kann. (Bild: Petra Bendel)

Sind auch Flüchtlinge in Deutschland, oder sogar in Erlangen, Gegenstand ihrer Forschung?

Auf jeden Fall! Derzeit habe ich ein vom Rotary-Club Erlangen-Schloss initiiertes und finanziertes Forschungsprojekt mit drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Erlangen, direkt vor Ort, Interviews mit Flüchtlingen in ihren Muttersprachen führen. Damit wollen wir Bedürfnisse ermitteln und herausfinden, wie sich entsprechend die Angebote von Stadt und Ehrenamt passgenauer auf die Ideen der Flüchtlinge einstellen lassen. Wir rennen in der Stadt damit offene Türen ein; alle Beteiligten sind hoch motiviert uns zu unterstützen – ein echtes Win-Win-Projekt!

Wie sehen Sie denn Ihre Rolle in der Gesellschaft?

Über das Zentralinstitut für Regionenforschung, dessen Geschäftsführerin ich bin, habe ich die Riesenchance, die Erkenntnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in die breitere Öffentlichkeit zu tragen. So haben wir etwa im Juli eine Tagung in Tutzing zur Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems veranstaltet, die angesichts ihrer Aktualität sehr nachgefragt ist. Und für das kommende Wintersemester plane ich mit Kolleginnen und Kollegen aus der Menschenrechtsforschung und Entscheidungsträgern von Bund, Ländern und Kommunen sowie Nicht-Regierungsorganisationen eine Tagung zur Rolle der Kommunen in der Flüchtlingspolitik.

Eine Wissenschaft, die mitten in der Gesellschaft steht, mitten in die Politik wirkt, die mit Studierenden aus aller Welt im Diskurs steht und damit auch jung bleibt

– so beschreibt Politikwissenschaftlerin Prof. Bendel ihre Forschung. Sie hat in Heidelberg, Santiago de Compostela und Bilbao studiert, in Heidelberg promoviert, in Erlangen habilitiert. Sie ist Geschäftsführerin des Zentralinstituts für Regionenforschung der FAU.

Neugierig auf mehr?

alexander Nr. 99 InhaltsverzeichnisDieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 99: ein Blick hinter die Kulissen der Langen Nacht der Wissenschaften, ein Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Kühlein darüber, warum Hausärzte Krankheiten besser ausschließen sollten als sie zu diagnostizieren sowie eine Umfrage unter Studierenden, die erzählen, warum sie sich ehrenamtlich engagieren.