Zimmer zu vermieten: Fleischfressende Pflanze lockt Fledermäuse mit Echoreflektoren an
Ein internationales Wissenschaftlerteam der Universitäten Erlangen-Nürnberg, Greifswald und Brunei Darussalam hat herausgefunden, dass die auf Borneo vorkommende Kannenpflanzenart Nepenthes hemsleyana Fledermäuse mit einem Echo-Reflektor lockt. Die Kannenpflanzen sind allerdings nicht etwa auf der Jagd nach Fledermäusen, vielmehr sind sie hinter deren Kot her. Da die Kannenpflanzen auf sehr nährstoffarmen Böden wachsen, brauchen sie zusätzlichen Dünger. Der Kot der Fledermäuse liefert ihnen die lebenswichtigen Nährstoffe. Als Gegenleistung bieten sie den Fledermäusen in ihren Kannen einen perfekten Schlafplatz an. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt in der Fachzeitschrift Current Biology (DOI 10.1016/j.cub.2015.05.054)* veröffentlicht.
Die Hardwicke-Wollfledermaus (Kerivoula hardwickii) auf der südostasiatischen Insel Borneo hat sich ein ganz besonderes Tagesquartier ausgesucht: Sie verbringt den Tag in den Kannen fleischfressender Pflanzen der Gattung Nepenthes. Die Fledermäuse werden von den Pflanzen nicht etwa verdaut, sondern finden in ihren Kannen ein sicheres Schlafquartier. Frühere Studien der Greifswalder Forscher zeigten, dass die Kannenpflanzen – sozusagen als Miete – Nährstoffe aus dem in der Kanne hinterlassenen Fledermauskot erhalten. Blieb noch die Frage offen, wie es die Fledermäuse schaffen, die seltenen und unscheinbaren Kannenpflanzen in der extrem dichten Vegetation der Sumpfwälder Borneos zu finden.
Eben diese Frage konnte das Forscherteam in der aktuellen Studie klären. Da sich die Hardwicke-Wollfledermaus wie alle Fledermausarten vornehmlich akustisch über Echoortung orientiert, lag es nahe, dass auch das Finden und Auswählen der Kannen über akustische Reize stattfindet. Während mehrerer Forschungsaufenthalte in Brunei und Malaysia gingen das Forscherteam der Arbeitsgruppe Angewandte Zoologie und Naturschutz der Universität Greifswald um Michael Schöner und Caroline Schöner in Kooperation mit Dr. Ralph Simon vom Lehrstuhl für Sensorik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und dem Team von Prof. Ulmar Grafe an der Universität Brunei ihrer These nach.
Mit Hilfe eines künstlichen Fledermauskopfes untersuchten die Wissenschaftler die Akustik der Kannen. Der künstliche Fledermauskopf ist eine Spezialanfertigung der FAU, die sich bei ähnlichen Untersuchungen bereits bewährt hat: Er besteht aus einem Lautsprecher, der fledermausähnliche Signale im Ultraschallbereich abspielen kann, sowie aus hochempfindlichen Ultraschallmikrofonen, die selbst leiseste Echos noch wahrnehmen.
Das Ergebnis: Die Forscher fanden heraus, dass die Kannen der Pflanze Nepenthes hemsleyana eine Art Winkelreflektor in der Rückwand aufweisen, welche die Ultraschallrufe der Fledermäuse stark reflektiert. Diese Struktur fehlt bei der nächstverwandten Art ebenso wie bei anderen Kannenpflanzenarten, welche im gleichen Gebiet wie Nepenthes hemsleyana wachsen, ohne aber von Fledermäusen zu profitieren. FAU-Wissenschaftler Ralph Simon erklärt: „Ähnliche Strukturen haben wir bereits an fledermausbestäubten Pflanzen in Mittelamerika gefunden. Dass sich solche Reflektoren zur Anlockung von Fledermäusen unabhängig davon auch in Asien entwickelt haben, erstaunte uns sehr.“
Und Caroline Schöner fügt hinzu: „Wir wollten daher herausfinden, ob diese schallreflektierende Struktur für die Fledermäuse wichtig ist, um die Kannen als solche zu identifizieren und sie als Quartier zu wählen“. Die Forscher führten im Verlauf der Studie eine Reihe von Verhaltensversuchen durch, um die Effektivität des Schallreflektors zu untersuchen. Sobald man den Wollfledermäusen Kannen anbot, bei denen der Schallreflektor verändert war, wählten sie diese nicht mehr als Quartier. War der Schallreflektor aber intakt, fanden sie die Kannen schneller und wählten sie auch als Quartier. Veränderungen von anderen Kannenstrukturen hatten dagegen keinerlei Auswirkung auf das Verhalten der Fledermäuse den Kannen gegenüber. Daraus schließen die Forscher, dass der Reflektor ein elementares Erkennungsmerkmal von Nepenthes hemsleyana ist. So gelingt es der Pflanze, die Fledermäuse auf ihre Kannen aufmerksam zu machen, diese als geeignetes Quartier auszuweisen und sogar eine Art Wegweiser für die Fledermäuse bereitzustellen, so dass diese schnell den Eingang der Kanne finden.
Die Studie zeigt die ungewöhnlichen Lösungen, die Organismen im Rahmen von symbiotischen Beziehungen entwickeln. Dies gilt nicht nur in Hinblick auf das Auffinden des Partners, sondern umfasst vielmehr alle Facetten eines solchen Zusammenlebens. „Wir verstehen momentan noch nicht einmal annähernd die Bedeutung symbiotischer Beziehungen für das ökologische Gleichgewicht“, erklärt Michael Schöner und fügt hinzu: „Leider verschwinden natürliche Lebensräume wie die Sumpfwälder Borneos oft schneller als die faszinierenden biologischen Systeme darin entdeckt und untersucht werden können.“
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Deutschen Akademischen Austauschdienst sowie den Universitäten Brunei Darussalam, Greifswald und Erlangen-Nürnberg finanziert.
Weitere Informationen:
Dr. Ralph Simon
Tel.: 09131/85-23359
ralph.simon@fau.de