Eine Idee von moralischer Überzeugungskraft

Prof. Dr. Christoph Safferling, Vizepräsident im Kuratorium der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP). (Bild: Gabriele Neumann)
Prof. Dr. Christoph Safferling, Vizepräsident im Kuratorium der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP). (Bild: Gabriele Neumann)

Zum 70. Jahrestag der Eröffnung der Nürnberger Prozesse: Ein Interview mit dem Juristen Prof. Dr. Christoph Safferling

Prof. Safferling ist Vizepräsident im Kuratorium der am 6. Juni 2015 offiziell eröffneten Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP). Neben Safferling gehören Serge Brammertz, Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, als Vizepräsident, Thomas Buergenthal, ehemaliger Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, als Präsident sowie Sang-Hyun Song, ehemaliger Präsident des Internationalen Strafgerichtshofs, zum neunköpfigen Gremium. Es handelt sich um eine vom Auswärtigen Amt, dem Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg gegründete Stiftung zur Förderung des Völkerstrafrechts mit Sitz am historischen Ort der Nürnberger Prozesse, im Saal 600 des Nürnberger Justizpalasts. Safferling hat an der FAU den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht inne.

Die Nürnberger Prozesse und die Nürnberger Prinzipien gelten als Meilensteine des modernen Völkerstrafrechts. Die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien (IANP) tritt als Forum für aktuelle völkerstrafrechtliche Themen und zur Förderung des Friedens durch Recht in bedeutsame Fußstapfen. Welche Aufgaben nehmen Sie dort im Kuratorium wahr?

Ziel der IANP ist es, weltweit die Legitimität, die Rechtmäßigkeit und die Akzeptanz des Völkerstrafrechts und seiner Anwendung zu fördern und so den Kampf gegen die Straflosigkeit von schwersten Verbrechen zu unterstützen, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen. Ihre Tätigkeitsfelder umfassen interdisziplinäre Forschung, zielgruppenspezifische Trainings- und Beratungsangebote und Menschenrechtsbildung. Die Arbeit der IANP richtet sich an Juristen der internationalen Strafgerichtshöfe und nationaler Strafverfolgungsbehörden, Akademiker, Diplomaten und Multiplikatoren aus aller Welt. Ein besonderer Fokus der IANP liegt auf der Arbeit mit Ländern und Gesellschaften, die vor völkerstrafrechtlichen Herausforderungen stehen. Mit ihren Aktivitäten leistet die Akademie einen systematischen Beitrag zur Durchsetzung der Nürnberger Prinzipien, einer zentralen Grundlage des heutigen Völkerstrafrechts.

Im Kuratorium werden die inhaltlichen Maßstäbe und die Schwerpunkte der Arbeit der IANP festgelegt. Dabei ist es wichtig, brennende Probleme des Völkerstrafrechts zu identifizieren und der Akademie entsprechende Programmvorschläge zu unterbreiten.

Mit den Nürnberger Prinzipien erhob die internationale Staatengemeinschaft im Jahr 1950 erstmals universal den Anspruch, die Straflosigkeit völkerrechtlicher Verbrechen zu beenden. Wie sieht Ihr Rückblick 70 Jahre nach Eröffnung der Nürnberger Prozesse aus?

Man kann gar nicht hoch genug einschätzen, was damals 1945 in Nürnberg begonnen wurde. Die Idee, die maßgeblich vom US-amerikanischen Chefankläger Robert H. Jackson formuliert wurde, Staatenlenker und militärische Befehlshaber wie einfache Verbrecher vor ein Strafgericht zu stellen, hat das Völkerrecht revolutioniert. Dass die Idee die Zeit des Kalten Krieges überdauert hat, zeugt von ihrer moralischen Überzeugungskraft. Sie hat sich aber weltweilt immer noch nicht ganz durchgesetzt, auch wenn es seit 2002 einen Internationalen Strafgerichtshof gibt. Das Ende der Straflosigkeit für Menschenrechtsverbrechen ist noch nicht erreicht – um die Idee von Nürnberg muss täglich neu gerungen werden.

Wie stellt sich vor diesem Hintergrund der aktuelle Syrienkonflikt dar?

Der Syrienkonflikt stellt die Welt vor immense Herausforderungen. Bislang ist der Internationale Strafgerichtshof nicht eingeschaltet. Aber nationale Strafverfolger – auch der Generalbundesanwalt in Deutschland – haben täglich mit Fällen aus dem syrischen Kontext zu tun. Deutsche Staatsangehörige etwa nehmen an den Kämpfen teil und machen sich wegen Kriegsverbrechen möglicherweise sogar wegen Völkermordes strafbar. Zurück in Deutschland können sie außerdem eine terroristische Gefahr darstellen. Die Konflikte globalisieren sich und können daher auch nur mit gemeinsamen Anstrengungen verhindert und beendet werden. Der Internationale Strafgerichtshof wäre mit der Verfolgung aller Straftaten hoffnungslos überfordert. Deshalb müssen die Nationalstaaten in der Lage sein, internationale Verbrechen effektiv zu verfolgen. Das ist auch eine der Lehren aus Nürnberg: Ohne die Mitwirkung der einzelstaatlichen Justizbehörden ist eine umfassende rechtliche Aufarbeitung von Massenverbrechen nicht möglich. Genau hier will die IANP ansetzen.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Christoph Safferling
Tel.: 09131/85-22247
christioph.safferling@fau.de