Vernetzte Verbraucher: Welche Chancen bieten Speicherbatterien in Haushalten?
Spätestens seitdem Bürger über steigende Strompreise, Windparks oder Stromtrassen diskutieren, ist klar: Die Energiewende ist keineswegs ein abstraktes Thema der Politik. Doch wie kann es gelingen, bis zum Jahr 2050 insgesamt 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen, was ja ein erklärtes Ziel der Regierung ist? Welche Technologien sind dafür nötig? Was bedeutet das für jeden Einzelnen von uns? Wir haben dazu mit Prof. Dr. Reinhard German, Lehrstuhl für Rechnernetze und Kommunikationssysteme, gesprochen.
Herr Professor German, Sie simulieren vernetzte Energiesysteme. Wofür brauchen wir diese Erkenntnisse?
Die zunehmende Einspeisung von elektrischer Energie aus Wind und Sonne stellt uns vor große Herausforderungen, weil die Energie aus diesen fluktuierenden Systemen nicht dem Bedarf entsprechend zur Verfügung steht. Ein wichtiger Schritt zur Lösung dieses Problems wäre beispielsweise die intelligente und wirkungsvolle Speicherung von elektrischer Energie. Aber über das Zusammenspiel der drei Faktoren Energieeinspeisung mithilfe von Sonne und Wind, Energiebedarf und Energiespeicherung wissen wir noch nicht genug. Deshalb sind Simulationen beispielsweise für einzelne Gebäude und für Siedlungen, aber auch bei der Planung des gesamten elektrischen Energieversorgungssystems mit dem Bau neuer Netze, Kraftwerke und Speicher sehr hilfreich.
Wo genau liegt das Problem? Energie kann doch heute schon in Batterien und Pumpspeicherkraftwerken gespeichert werden.
Das stimmt schon, aber beide Technologien können – bezogen auf unser gesamtes elektrisches Versorgungssystem – im Augenblick nur sehr geringe Energiemengen speichern und die Versorgung nur für wenige Stunden garantieren.
Was können wir tun, um die Situation zu verbessern?
Eine Möglichkeit für den Ausbau der Speicherkapazität ist beispielsweise die möglichst intelligente Nutzung von Batterien in Haushalten. Dies kann sowohl dem Einzelnen als auch dem Gesamtsystem nutzen. Wir können inzwischen das Zusammenspiel von Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern und Energiebedarf in Haushalten sehr präzise simulieren. Dadurch sind wir in der Lage, sekundengenau zu ermitteln, welche Energie die Photovoltaikanlage liefert, welcher Energiebedarf besteht und ob es sinnvoller ist, die überschüssige Energie in die Batterie oder ins Netz einzuspeisen.
Das heißt, Sie simulieren das Wetter, den Energiebedarf und die Vergütung für die Einspeisung?
Ganz genau. Aufgrund von Geodaten können wir die Intensität der Sonneneinstrahlung ermitteln. Mit Hilfe von stochastischen Modellen simulieren wir weitere Faktoren, etwa die zeitlich variable Bewölkung. Diese Daten fließen zusammen mit den dynamischen Werten für den Energiebedarf und den bekannten Sätzen für die Einspeisevergütung in das Gesamtmodell ein.
Welche Simulationsmöglichkeiten bietet dieses Modell?
Wir können damit verschiedene Szenarien durchspielen – zum Beispiel die Eigenbedarfsmaximierung. Dabei gehen wir davon aus, dass überschüssiger Strom aus der Solaranlage vorrangig dazu genutzt wird, die eigenen Batterien aufzuladen. Erst wenn sie vollständig geladen sind, wird der Strom ins öffentliche Netz eingespeist. Übersteigt der momentane Bedarf hingegen die Leistungsfähigkeit der Photovoltaikanlage, werden zunächst die Batterien genutzt und Strom erst dann aus dem Netz eingekauft, wenn diese leer sind.
Und aus diesen Szenarien errechnen Sie dann die wirtschaftlichsten Einstellungen des Systems?
Ja. Hierbei berücksichtigen wir dann auch die komplizierten Eigenschaften der Batterien. Außerdem können ermitteln, welche Batteriegröße sinnvoll ist.
Welche Vorteile haben Batterien als Energiespeicher in privaten Haushalten?
Zunächst einmal erweitern sie die Handlungsmöglichkeiten: Je nach Situation und Bedarf kann man überschüssigen Strom speichern und muss ihn nicht ins Netz einspeisen. Und wenn die Photovoltaikanlage einmal nicht genug Energie liefert, kann man entweder den eigenen, gespeicherten Strom nutzen oder den von externen Lieferanten. Im Augenblick ist der wirtschaftliche Nutzen für den einzelnen Haushalt allerdings noch nicht gegeben und auch der Nutzen für das gesamte elektrische Energieversorgungssystem durch dezentrale Speicher ist noch sehr gering. Aber wenn künftig eine größere Zahl von Haushalten über Batteriespeicher verfügt, sieht die Sache schon anders aus.
Was würde sich dadurch ändern?
Man könnte die Speicher zu größeren Systemen zusammenschließen. Diese Systeme könnten dann auch dazu beitragen, im Stromnetz Abweichungen zwischen dem Leistungsangebot und dem Leistungsbedarf auszugleichen. Das wäre dann ein wichtiger Schritt zur Integration dezentraler Energiesysteme in regionale und überregionale Netze. Und außerdem könnten die privaten Haushalte Einnahmen erzielen und damit die Zone der Wirtschaftlichkeit erreichen.
Funktioniert die Integration privater Haushalte heute schon irgendwo?
Ja, in Modellprojekten gibt es das schon. Wir arbeiten beispielsweise im Projekt SWARM gemeinsam mit der N-ERGIE und der Firma Caterva an integrierten dezentralen Speichersystemen. In dem Projekt sollen bis zu 80 mit Lithium-Ionen-Batterien und Photovoltaikanlagen ausgestattete private Haushalte zusammengeschlossen werden. Diese einzelnen Energiesysteme sind über Steuereinheiten zu einem größeren System vernetzt. Aus diesem Projekt gewinnen wir unter anderem wertvolle Erfahrungen für künftige Lösungen des Speicherproblems.
Lassen sich diese Erkenntnisse auch auf größere Systeme übertragen?
Selbstverständlich geht das. In dem Projekt „Smart Grid Solar“ modellieren wir gerade ein Energiesystem, das in Arzberg und Hof in Nordbayern aufgebaut wird. Dort werden Gebäude mit Photovoltaikanlagen und dezentralen Speichern sowie zentrale Speicher und ein Solarpark zu einem regenerativen Energiesystem integriert. Wir begleiten dieses reale Pilotprojekt mit einem Modell und vergleichen dies mit dem späteren Betrieb.
Lassen Ihre Simulationen Prognosen zu, ob das große Ziel der CO2-Reduktion erreicht wird?
In Bayern werden im Augenblick etwa 50 Prozent des Stroms von Kernkraftwerken erzeugt. Da Kernkraftwerke im Betrieb kein CO2 emittieren, wird sich die CO2-Bilanz bis 2022, wenn das letzte Kernkraftwerk stillgelegt wird, verschlechtern. In konkreten Zahlen ausgedrückt heißt das, dass sich der momentane CO2-Ausstoß der Stromerzeugung für Bayern von rund einer Tonne pro Jahr und Einwohner vermutlich etwa verdoppeln wird. Diese Steigerung wird vor allem durch konventionelle Kraftwerke auch außerhalb Bayerns verursacht, die benötigt werden, wenn der regenerativ erzeugte Strom nicht ausreicht.
Die Verdopplung der CO2-Emission können Sie so genau prognostizieren?
Natürlich kann niemand die Zukunft vorhersagen. Wir können aber Aussagen für konkrete Szenarien treffen. Wir haben hierfür Daten von mehreren hundert deutschen Kraftwerken erfasst und arbeiten zusammen mit den Lehrstühlen für Wirtschaftsmathematik und für Elektrische Energiesysteme, mit Bayern Innovativ und dem Bayerischen Wirtschaftsministerium an der Frage, wie die CO2-Emission mittelfristig reduziert werden kann.
Das heißt aber, dass durch die Umstellung auf erneuerbare Energien auf jeden Fall zunächst einmal mehr und nicht weniger CO2 freigesetzt wird?
Ja, das ist so. Denn die Versorgungslücke, die durch die Stilllegung der Kernkraftwerke entsteht, wird mittelfristig teilweise durch konventionelle Kraftwerke ausgeglichen. Und die haben eine wesentlich schlechtere CO2-Bilanz. Die Energiewende wird erst dann zu einer signifikanten Reduzierung der CO2-Emissionen führen, wenn wir bei einem hohen Anteil von regenerativen Energieträgern gleichzeitig in größerem Umfang leistungsfähige Energiespeicher nutzen und diese in das System der elektrischen Energieversorgung integrieren können.
Wann wird das soweit sein?
Wir werden sicherlich noch einige Jahre forschen müssen, bis leistungsfähige Speicher marktreif sind und flächendeckend eingesetzt werden können. Wenn sie dann aber einmal da sind, können wir aufgrund unserer Simulationen sehr genau sagen, wie sie zu optimal funktionierenden Systemen integriert werden können.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Reinhard German
Tel.: 09131/ 85-27916
reinhard.german@cs.fau.de
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Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 98: ein Interview mit dem neuen FAU-Präsidenten Prof. Dr. Joachim Hornegger, ein Besuch bei Studierenden, die ein Elektromotorrad bauen, eine Reportage über den Ort, wo am Uni-Klinikum Erlangen die Instrumente für die nächste OP vorbereitet werden sowie ein Interview mit einem FAU-Alumnus und Medizin-Pionier, der die künstliche Befruchtung in Jordanien eingeführt hat.