Das Immunsystem der Universität
Dienstag, 14.39 Uhr. Manfred Herzog, Mitarbeiter der Uni-Leitwarte, nimmt den Hörer ab, er hört eine aufgeregte Stimme. Der Anrufer hat auf dem Südgelände Rauch aufsteigen sehen. Der erste Verdacht: Die Uni brennt. Nun heißt es, schnell handeln. Durch Nachfragen und einen Blick auf den Gebäudeplan an der Wand erfährt Herzog, welches Gebäude betroffen ist. Was wird dort gearbeitet? Befinden sich dort gefährliche Stoffe? Was könnte den Brand verursacht haben? Welche Experten müssen im Ernstfall benachrichtigt werden? Sind Menschen, Tiere oder Experimente in Gefahr? Diese Fragen geht Herzog im Geiste durch und ruft in dem betroffenen Gebäude an. Die Mitarbeiter haben nichts von einem Feuer bemerkt. Dann fällt es Herzog ein: Das Dach wird dort gerade repariert. Möglicherweise kommt der Rauch von den Schweißarbeiten an der Teerpappe. Und tatsächlich ist es so. Noch mal Glück gehabt.
Hier laufen alle Fäden zusammen
Die Leitwarte ist das Immunsystem der Universität. „Unsere Aufgabe ist es, jeglichen technischen Schaden von der Universität abzuwenden“, so Herzog. „Hier laufen alle Fäden zusammen und von hier aus wird alles koordiniert.“ Zu Beginn jeder Schicht verschafft sich Herzog einen Überblick über die eingegangenen Meldungen. Er spricht sich mit dem Mitarbeiter der vorangegangenen Schicht ab, checkt die Mails, Tabellen und Grafiken auf den vier Bildschirmen am Arbeitsplatz und sieht die Meldungen, die laufend aus den Nadeldruckern kommen, durch. Eine Kunst, den Überblick zu behalten. Von hier aus wird auch mit Polizei und Feuerwehr kommuniziert, Handwerker, Techniker und andere Experten zu den Gebäuden geschickt. Diese müssen alle Uni-Gebäude gut kennen, um im Notfall schnell reagieren zu können.
Für 240 Gebäude ist die Leitwarte zuständig, darunter die Einrichtungen in Erlangen, Nürnberg, der Uferstadt in Fürth sowie für die Telefonanlage des Uni-Klinikums. Bei so einer Menge an Gebäuden, zuzüglich der Technik, ist es kein Wunder, dass es in der Leitwarte so gut wie nie ruhig zugeht. Aus den Druckern rattert eine Meldung nach der anderen, auf den Bildschirmen blinken Nachrichten auf und auch die Telefone klingeln ständig. Es gab schon Tage, an denen fast 20.000 Meldungen eingegangen sind. An ruhigen Tagen sind es nur um die 1.000. „Wenn hier eine Stunde nichts los ist, dann haben wir schon einen sehr entspannten Tag“, sagt Herzog.
Erst Mensch, dann Tier, dann Geräte
Die Palette der möglichen Schäden, um die sich die Leitwarte kümmert, reicht von der quietschenden Tür bis hin zum Chemieunfall. „Hier ist rund um die Uhr jemand da, auch an Wochenenden und Feiertagen.“ Das ist auch nötig, denn teure Anlagen können schnell durch unglückliche Umstände vernichtet werden – und damit auch Forschungsergebnisse. Der Strom fällt aus, die Kühlanlagen der Labors bleiben stehen und die Arbeit von mehreren Monaten oder sogar Jahren ist vernichtet. „Unsere Prioritäten sind folgendermaßen gegliedert: zuerst Mensch, dann Tier und dann teure Gerätschaften.“
Manfred Herzog ist schon lange dabei, seit 13 Jahren arbeitet er in der Leitwarte der Universität. Vorher war er in der Leitwarte eines Kraftwerks angestellt. Diese lange Erfahrung macht sensibel für Anzeichen, dass eine Situation brenzlig ist und nun schnell und gründlich gehandelt werden muss, um Schlimmeres zu verhindern. „Wenn ich bei den Meldungen etwas mit Wasser lese, prüfe ich das genauer, da das schnell hohen Schaden bedeuten kann“, erklärt Herzog. Für sämtliche Situationen ist das Vorgehen der Leitwarte in den Dienstanweisungen genau geregelt. Diese stehen griffbereit im Aktenschrank, das ist besonders bei ernsteren Vorfällen wichtig.
Um 22 Uhr und viele Meldungen später endet die Schicht von Manfred Herzog. Neben dem Feueralarm und zahlreichen Reparaturaufträgen musste Herzog heute außerdem einen Herrn, der im Aufzug steckengeblieben war, psychologisch betreuen bis der Fehler behoben war. „Der Job ist äußerst vielseitig. Auch nach so vielen Jahren erlebe ich hier immer wieder Neues.“
Serie über besondere Orte an der FAU
An der FAU gibt es viele spannende Orte. Wir stellen sie im alexander regelmäßig vor. Im Blog finden Sie alle Beiträge zu den besonderen Orten an der FAU auch zusammengefasst auf einer Seite.
Neugierig auf mehr?
Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 95: ein Interview mit IT-Sicherheitsexperte Prof. Freiling über Privatsphäre im Netz, ein Gespräch mit Prof. Rütten darüber, wie Sportmuffel aktiver werden, eine Umfrage, worauf mittelständische Firmen bei Uni-Absolventen achten und ein Tagebuch von sechs Studierenden, die bei einer Rallye vom Allgäu nach Jordanien teilgenommen haben.