Dr. Zaid Kilani
Interview mit Reproduktionsmediziner Dr. Zaid Kilani
FAU-Alumnus Zaid Kilani über medizinische Meilensteine, seine besondere Beziehung zur Königsfamilie und darüber, wie er hilft, das jordanische Gesundheitswesen gerechter zu machen.
Ein jordanischer Pionier
Dr. Zaid Kilani, geboren 1938 in Nazareth, studierte von 1959 bis 1962 Medizin an der FAU und schloss sein Studium zwei Jahre später in Göttingen ab. Danach arbeitete er in England. Zurück in Jordanien gründete er 1978 eine kleine, auf Geburtshilfe und Gynäkologie spezialisierte Klinik. Daraus entstand später das Farah Hospital, das der Arzt und Forscher noch heute leitet. Als er in den 80er-Jahren die Technik der künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation – IVF) in Jordanien einführte, wurde er massiv angefeindet und bedroht, seine Klinik wurde sogar Opfer eines Brandanschlags. Das erste jordanische IVF-Baby kam schließlich dank seiner Hilfe im Jahr 1987 auf die Welt. Seit 2011 sitzt Zaid Kilani im jordanischen Senat und engagiert sich für bessere Gesetze im Gesundheitsbereich.
Herr Dr. Kilani, in den 50er-Jahren muss es für einen Jordanier ein Abenteuer gewesen sein, in Deutschland Medizin zu studieren. Wie ist es dazu gekommen?
Mitte der 50er-Jahre habe ich die Schule abgeschlossen, danach wollte ich unbedingt Medizin studieren. In Jordanien ging das damals nicht. Deshalb beschloss ich, in Deutschland zu studieren, einem Land, das eine sehr beachtliche wissenschaftliche Reputation hat. Mein Plan war es, meinen Aufenthalt in Deutschland so kurz wie möglich zu halten, weil ich mein Studium möglichst zügig beenden wollte. Die Universität in Erlangen hatte einen guten Ruf und war damals die einzige Universität, die einen Anatomiekurs im Sommer anbot. Deshalb beschloss ich, mich in Erlangen zu bewerben und wurde dort auch angenommen.
In den 70er-Jahren kamen Sie wieder mit der FAU in Kontakt. Was war der Anlass?
Die Geburt des ersten IVF-Babys Louise Brown im Juli 1978 versetzte die ganze Welt in Aufruhr. Jordanien, ein kleines islamisches Land, war unter den vielen Ländern, die von diesem Durchbruch beeindruckt waren, und wollte gerne von diesem großen, wissenschaftlichen Fortschritt profitieren, der viele Tausende seiner Familien ganz intensiv betreffen würde, Familien, die unter der Unfruchtbarkeit litten. Einerseits war ich zunächst ganz perplex angesichts dieses Durchbruchs. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass niemand mich aufhalten konnte, die sehr fortgeschrittene IVF-Technologie in Jordanien und der ganzen Region einzuführen. Ich wusste aber, dass ich mit meinen begrenzten Möglichkeiten Hilfe brauchte. Zu dieser Zeit war die FAU die Erste, in der in Deutschland ein IVF-Baby zur Welt kam. Prof. Siegfried Trotnow führte die Liste der 100 besten Ärzte an und ich zögerte keine Sekunde, ihn zu kontaktieren. Er war so freundlich, mich nach Erlangen einzuladen und mir die neue Technologie zu vermitteln. Nach meinem Besuch kam er mit seinem Team nach Jordanien und richtete 1985 die entsprechenden Labors mit mir ein. Dafür bin ich meiner früheren Universität und ganz besonders Prof. Trotnow und seinem Team sehr dankbar.
Sie haben in den vergangenen Jahren viele Kinder der königlichen Familie in Jordanien auf die Welt gebracht. Hat das zu einer besonderen persönlichen Beziehung zu diesen Kindern geführt?
Zuallererst ist es natürlich eine große Verantwortung, sich um einige Mitglieder der königlichen Familie kümmern zu dürfen, aber natürlich auch etwas, worauf man vorbereitet sein muss und worauf man stolz sein darf. Tatsächlich habe ich zusammen mit meinem Team schon die Geburt von 25 Kindern der königlichen Familie begleitet; das älteste ist jetzt 13 Jahre alt. Ab und zu kommen die Eltern mit ihren Kindern zu mir, damit ich sie wieder sehen kann. Von allen bekomme ich jedes Jahr Bilder. Die besondere Beziehung zu diesen Kindern ist eine emotionale Bindung, die einen ihre Entwicklung und ihre Leistungen in der Schule mitverfolgen lässt. Und ich freue mich sagen zu können, dass sie das alle sehr gut machen.
Sie sind Mitglied des Senats des Königreiches Jordanien. Welche besonderen Ideen haben Sie für die Gestaltung des Gesundheitswesens in Jordanien?
Ich bin der Überzeugung, dass es in der jordanischen Gesetzgebung zwei ernsthafte Lücken gibt. Die erste Ungerechtigkeit liegt darin, dass der Generalstaatsanwalt Ärzten ihre Tätigkeit verbieten und sie ins Gefängnis bringen kann, wenn ihnen vorgeworfen wird, dass sie einen schweren medizinischen Fehler begangen haben. Aus meiner Sicht ist das nicht fair. Es wäre in Ordnung, die verdächtige Person daran zu hindern, das Land zu verlassen. Aber es sollte ein Gerichtsverfahren geben, bevor der Staatsanwalt jemanden ins Gefängnis bringen, Geldstrafen verhängen oder ihn für unschuldig erklären kann. Der zweite Punkt ist, dass es im jordanischen Recht erstaunlicherweise bisher keine Vorschriften für Zentren zur künstlichen Befruchtung gibt. So kann zum Beispiel ein Arzt einer Patientin so viele Embryonen einsetzen, wie er für erforderlich hält, um die Erfolgsquote zu steigern. Die Eltern sind normalerweise nicht sehr gut informiert und wären nicht darauf erpicht, die Erfolgsquote zu steigern, wenn sie wüssten, welch katastrophale Auswirkungen Mehrlingsschwangerschaften haben können, hauptsächlich Früh- und Fehlgeburten.
Gibt es Erfahrungen aus Ihrer Zeit in Deutschland, die Ihnen bis heute hilfreich sind?
Zuallererst sind es natürlich Emotionen, die mich immer noch mit Deutschland verbinden. Ohne Deutschland wäre es unmöglich oder äußerst schwierig gewesen, das zu erreichen, was ich erreicht habe. Tatsächlich habe ich immer noch viele Freunde dort, die mir ihre Unterstützung anbieten, wann immer ich sie brauche. Sie halten auch häufiger Vorträge auf unseren Kongressen, was stets zum Erfolg dieser Veranstaltungen beiträgt. Als ich in Deutschland studiert und gelebt habe, konnte ich beobachten, wie akribisch genau die Deutschen sind und wie sie die Perfektion leben – genau das tue ich hier auch.
Gerade sind wir dabei, ein neues Krankenhaus zu bauen, das in einigen Monaten fertig sein soll. Was dieses Krankenhaus einzigartig und zur Nummer Eins in unserer Gegend machen wird, ist die deutsche Technik, die wir verwenden. Ich hoffe, dass die Leute hier damit glücklich und zufrieden sind.
Was sind Ihre besten Erinnerungen an die FAU?
Die Friedrich-Alexander-Universität bedeutet mir sehr viel, weil sie mir den Weg zu meiner Karriere geebnet hat. Während meines Aufenthalts habe ich in den Semesterferien gearbeitet, um mein Studium zu finanzieren. Im Semester selbst habe ich manchmal in der Mensa ausgeholfen. Die Universität Erlangen-Nürnberg bot damals auch eine sogenannte „Fleißprüfung“ an, die bedürftigen Studenten die Möglichkeit gab, Stipendien der Friedrich Ebert-Stiftung zu erhalten. Ich habe mich dieser Prüfung gestellt und das Stipendium bekommen. In Erlangen habe ich dann auch das Physikum bestanden, was die Voraussetzung dafür war, mein Medizinstudium fortsetzen zu können.
Welche Empfehlung würden Sie jungen Menschen geben, die heute mit einem Universitätsstudium beginnen wollen?
Der erste Rat ist, sich sehr genau zu überlegen, welches das Fach ist, das wirklich den eigenen Neigungen entspricht und in dem man dann auch sehr gute Leistungen erzielen kann. An der Universität sind die Studierenden ihr eigener Herr und es gibt viele Ablenkungen. Man sollte sich daher immer bewusst sein, dass die Zeit sehr schnell verfliegt und sie sorgfältig investieren. Man sollte sich außerdem bewusst machen, dass das, was von Menschen geschrieben worden ist, auch von Menschen bewältigt werden kann und deshalb immer die Chance besteht, Prüfungen auch zu bestehen.
Welche drei Dinge machen für Sie einen erfolgreichen Tag aus?
1. Das Gefühl, dass ich gegenüber Patienten und Mitarbeitern meine Verpflichtungen erfüllt habe.
2. Die Arbeit an einem wissenschaftlichen Aufsatz, der publiziert werden kann.
3. Das Lächeln im Gesicht meiner Patientinnen, bevor ich am Abend die Klinik verlasse.
Interview: Thomas A. H. Schöck (März 2015)