Auf dem Weg zur Gleichstellung?
25 Jahre Frauenbeauftragte an der FAU
In diesem Jahr feiert das Amt der Universitätsfrauenbeauftragten an der FAU 25-jähriges Bestehen. Wir haben die erste Frauenbeauftragte der FAU, Prof. Dr. Renate Wittern-Sterzel, und die derzeitige Universitätsfrauenbeauftragte, Prof. Dr. Sannakaisa Virtanen, interviewt – über die anfänglichen Reaktionen auf das Amt, gendergerechte Sprache und die Entwicklungen in der Frauenförderung. Weitere Fragen dieses Interviews finden Sie in der aktuellen Ausgabe des alexander – dem Magazin für Aktuelles an der FAU.
Frau Wittern-Sterzel, Sie waren von 1989 bis 1991 die erste Frauenbeauftragte der FAU. Wie sehen Sie die Entwicklung der Frauenförderung von damals bis heute?
Renate Wittern-Sterzel: Als die Frauenbeauftragten der damals noch elf Fakultäten und ich als Universitätsfrauenbeauftragte das Amt antraten, war das, was Frauenförderung in der Wissenschaft tatsächlich bedeuten würde, nicht nur an der Universität allgemein, sondern auch für uns noch nicht absehbar. Wir mussten deshalb versuchen, erst einmal zu verstehen, welche Hindernisse es für Frauen im Laufe der wissenschaftlichen Karriere gab, warum also so wenige Frauen an der Universität in höhere Positionen kamen, bevor wir nähere und fernere Ziele definieren und den Weg dahin beschreiben konnten. Dies war ein schwieriger und langwieriger Prozess. Wir haben zunächst in Rundbriefen die Frauen, die eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebten, nach ihren einschlägigen Erfahrungen befragt. Zudem haben wir natürlich die damals schon recht umfängliche Literatur studiert. Sehr hilfreich war außerdem der Arbeitskreis der Bayerischen Frauenbeauftragten, der sich sehr bald konstituierte und einschlägige Diskussionsrunden veranstaltete. Auf diese Weise haben wir allmählich ein Arbeitsprogramm entwickelt und erste Schritte unternommen.
In den 25 Jahren bis heute ist dann unglaublich viel passiert: In den neunziger Jahren, die ich gern die „Pionierzeit“ der Frauenförderung an der FAU nenne, waren die Schritte eher noch klein und in der Mehrzahl auf individuelle Probleme, wie beispielsweise Beratungen von Studentinnen während und nach der Schwangerschaft und allgemeine Karriereberatung von jungen Wissenschaftlerinnen, ausgerichtet. Daneben gab es aber auch schon Bemühungen, institutionelle Änderungen zu bewirken. Ein Markstein waren hier die sehr weitreichenden Empfehlungen zur Gleichstellung, die der Senat im Jahre 1995 beschlossen hat. Damit war auch öffentlich dokumentiert, dass sich die Universität als Ganze verpflichtete, das Projekt Frauenförderung voranzutreiben.
Die Entwicklung nahm dann am Ende des Jahrhunderts Fahrt auf, nicht zuletzt durch die Politik und die Wissenschaftsförderinstitutionen, wie etwa die DFG: Die Bayerische Hochschulreform von 1998 verlieh den Frauenbeauftragten in allen Gremien Stimmrecht und forderte für alle vorgelegten Berufungslisten eine eigene Stellungnahme der Frauenbeauftragten ein, die DFG setzte sich nachdrücklich für eine stärkere Berücksichtigung von Frauen in allen Förderlinien ein. In der FAU wurde um die Jahrtausendwende ein Präsidialfonds für Gleichstellungsmaßnahmen eingesetzt, der besonders qualifizierte Frauen unterstützte sowie einschlägige Seminarangebote, Gastprofessuren, Lehraufträge etc. für Frauen und Mutterschutzvertretungen finanzierte. Alle diese Maßnahmen, die jeweils in enger Zusammenarbeit mit den Frauenbeauftragten und dem Frauenbüro entwickelt wurden, waren Ausdruck für einen sich allmählich entwickelnden Wandel in der Akzeptanz von Frauen in der Wissenschaft.
Und dennoch war dies nur ein Anfang. Denn die nächste Dekade erlebte viele Aktivitäten auf den unterschiedlichsten Feldern. So wurde zum einen das Ziel einer familienfreundlichen Universität durch eine Vielzahl von neuen Einrichtungen und Angeboten angesteuert, zum andern wurden auf der Ebene der Wissenschaft Zielvereinbarungen mit den einzelnen Fakultäten – um nur das wichtigste zu nennen – eingeführt, die ausdrücklich zur Erhöhung des Frauenanteils auf allen Ebenen beitragen sollen. Wichtig ist mir hierbei zu betonen, dass die Umsetzung aller Maßnahmen von der Hochschulleitung stets mit Nachdruck unterstützt wurde und dass die FAU sich glücklich schätzen kann, mit Frau Dr. Enzelberger eine Leiterin des Frauenbüros zu haben, die mit nie ermüdender Ausdauer seit vielen Jahren alle Initiativen zur Herstellung der Chancengleichheit koordiniert und vorantreibt.
Aber es sind nicht nur die vielen konkreten Erfolge auf den verschiedenen Feldern der Gleichstellung an unserer Universität, die hervorzuheben sind. Was mich als Historikerin auch besonders fasziniert, ist der Mentalitätswandel, den wir damals nicht so rasch erwartet haben. Frauen haben heute mit großer Selbstverständlichkeit an der Wissenschaft und am öffentlichen Diskurs teil, wie wir es uns im Jahre 1989 in unseren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können.
Wie haben Professoren damals auf das Thema Frauenförderung reagiert?
Renate Wittern-Sterzel: Die Palette der Reaktionen reichte von wohlwollender Förderung bis zu offener Ablehnung, einschließlich der gelegentlich durchaus ernst gemeinten Forderung nach einem „Männerbeauftragten“. Insbesondere die Fakultätsfrauenbeauftragten, die vielfach aus dem so genannten Mittelbau rekrutiert wurden, hatten es in Sitzungen schwer, sich Gehör zu verschaffen und brauchten eine hohe Frustrationstoleranz, um nicht zu resignieren.
Für mich als Universitätsfrauenbeauftragte war es leichter. In den ersten Senatssitzungen war die Atmosphäre zwar gelegentlich gespannt und es gab Gegenwind von „Hardlinern“, die die Augen rollten, wenn ich das Wort erhielt. Aber der damalige Rektor, Herr Professor Jasper, hat mich immer unterstützt, wenn ich frauenspezifische Aspekte in die Diskussion einzubringen versuchte. Und es gab auch schöne Erfahrungen. So haben sich einige Senatoren ausdrücklich bei mir dafür bedankt, dass sie durch meine Beiträge manches über die Genderproblematik gelernt hätten. Andere männliche Kollegen wurden mit dem Problem der Benachteiligung von Frauen durch ihre Töchter konfrontiert, die bei der Stellensuche auf Fragen nach Schwangerschaft und Lebensplanung antworten mussten, was die Väter verständlicherweise empörte. Von da an waren sie für das Thema Frauenförderung positiv sensibilisiert. Hilfreich für den Abbau von Vorbehalten gegenüber den Frauen in leitenden Positionen war auch die sich allmählich erhöhende Zahl an Berufungen von Professorinnen, durch die sich an manchen Instituten das soziale Klima veränderte. Dies wurde von männlichen Kollegen häufig als positiv wahrgenommen.
Frau Virtanen, wie reagieren die Professoren heute auf das Thema Gleichstellung?
SV: Heute ist die generelle Frage der Gleichstellung nicht mehr das vorrangige Thema. Es kommt hier auf die Person an. Gerade die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft ja nicht nur die Frauen. Heute wollen auch viele Männer ein Teil der Familie sein und sich an der Kindererziehung in angemessenem Umfang beteiligen, so dass sie sich für Projekte engagieren, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Auch in der Kommission Chancengleichheit, dem wichtigsten Gremium für die Planung von Gleichstellungsmaßnahmen an unserer Universität, das 2003 eingerichtet wurde, arbeiten männliche Vertreter der Professoren als Mitglieder mit.
Die Berechtigung der Gleichstellung von Frau und Mann an der FAU wird also von den meisten Professoren nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt. Es hat in den letzten Jahren nur noch gelegentlich kleinere Missverständnisse gegeben: So hatten etwa die Professoren in Berufungskommissionen manchmal die Befürchtung, dass sie jede Bewerberin zum Vorstellungsvortrag einladen müssten, unabhängig von der Qualifikation und der Eignung der Person für die Stelle. Aber das widerspricht letztlich dem Gleichstellungsgedanken. Natürlich wollen auch wir Frauenbeauftragte, dass nur Kandidatinnen eingeladen werden, wenn sie auch qualifiziert sind. Man muss das von unserer Seite aus vernünftig angehen. Wichtig ist, dass Frauenbeauftragte dort reagieren, wo es ein Problem gibt, wo also der Verdacht nicht unbegründet erscheint, dass eine Frau zugunsten eines Mannes zurückgewiesen wird. Aber wir müssen und sollten nicht mehr prinzipiell in allen Situationen vermuten, dass Frauen grundsätzlich wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Diese überaggressive Art von Gleichstellung ist tatsächlich kontraproduktiv.
Frau Virtanen, was sagen Sie zur Debatte um geschlechtsneutrale Sprache?
Sannakaisa Virtanen: Ich bin in Finnland aufgewachsen und dort machen wir keinen grammatikalischen Unterschied zwischen Sie und Er – also weiblich und männlich. Es gibt einfach nur eine dritte Person. Wir haben in dem Sinne eine neutrale Sprache. Auch Berufsbezeichnungen zeigen nicht das Geschlecht. Ich finde das praktisch, das ist eigentlich schon Gleichstellung in der Sprache.
Renate Wittern-Sterzel: In Deutschland ist das ja leider anders, und diese Problematik ist nach wie vor nicht befriedigend gelöst. Unsere Sprache ist traditionell männlich orientiert, und in der langen Geschichte der Universität hatte es durchaus seine Berechtigung, wenn man nur von Professoren und Studenten sprach – Frauen waren ja bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts von den Universitäten ausgeschlossen. Die Frauenbeauftragten an den Universitäten haben aber sehr bald nach ihrem Amtsantritt nachdrücklich Änderungen des Sprachgebrauchs gefordert, und so haben auch wir an der FAU gleich anfangs im Senat zumindest eine Vorbemerkung zum Sprachgebrauch in sämtlichen Studien- und Prüfungsordnungen der Universität durchgesetzt, die besagte, dass die weiblichen Formen immer mitgemeint seien – gegen erheblichen Widerstand übrigens und erst nach mehreren Senatssitzungen! Der weitere Versuch, in allen Ordnungen jeweils beide Geschlechter eigens zu benennen wurde damals noch rundweg abgelehnt.
Es ist natürlich nicht zu bestreiten, dass die Texte selten an Schönheit gewinnen, wenn man überall die männliche und die weibliche Form schreibt. Andererseits halte ich auch die Variante der Leipziger Universität, die in ihrer Grundordnung durchgängig die weiblichen Formen benutzt, nicht für ideal. Aber es gibt inzwischen eine größere Zahl von Handreichungen, wie Texte gendergerecht formuliert werden können, so zum Beispiel, indem man statt der üblichen männlichen Form geschlechtsneutrale Begriffe wählt oder die Doppelformen variiert. Dies hat sich im öffentlichen Leben inzwischen ja auch durchgesetzt. Und das ist gut so. Die Sprache ist nie neutral, sie konstruiert unsere Wirklichkeit und formt unser Bewusstsein, und deshalb ist die alleinige Verwendung von männlichen Bezeichnungen eine mehr oder minder offene Diskriminierung der Frauen, an deren Beseitigung die Frauenbeauftragten der FAU seit nunmehr 25 Jahren arbeiten.
Frau Virtanen, wo sehen Sie heute noch am meisten Handlungsbedarf in Ihrer Arbeit als Frauenbeauftragte? Welche Probleme sind noch ungelöst?
Wenn man sich die Zahlen der Professorinnen, und vor allen die der Lehrstuhlinhaberinnen anschaut, ist zu erkennen, dass hier noch Einiges zu tun ist. Betrachten wir allerdings die Frauenanteile bei den W1-Professuren, so findet sich vor allem bei der NatFak und den Wirtschaftswissenschaften ein (fast) ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Dies könnte ein gutes Zeichen sein, dass es doch weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs gibt. Schade wäre es, wenn der Grund dafür wäre, dass Frauen sich eher mit den „schlechteren“ Stellen zufrieden geben.
Die großen Sorgenkinder bezüglich der C3/W2 und vor allem der C4/W3-Stellen sind die MedFak, die NatFak, die TechFak und der Rechtswissenschaftliche Fachbereich. Die FAU hat sich allerdings zum vorrangigen Ziel gesetzt, den Frauenanteil an den Professuren nachhaltig zu erhöhen. Als Instrument setzt die FAU hier seit 2005 fakultätsspezifische Zielvereinbarungen ein. Diese konzentrieren sich speziell auf die Förderung des weiblichen Nachwuchses in den Fächern und auf den Karrierestufen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind. Sie beinhalten zum einen fakultäts- bzw. departmentsspezifische Zielzahlen, zum anderen ein aufeinander abgestimmtes integratives Bündel von Gleichstellungsmaßnahmen. Besondere Bedeutung kommt hier beispielsweise den Gastprofessorinnen bzw. Gastreferentinnen als ‚role model‘, den ARIADNE-Mentoring-Programmen, den Stipendienprogrammen oder den Fakultätsfrauenpreisen zu.
Besonders hervorzuheben ist ebenso die proaktive Berufungspolitik der FAU, insbesondere der „Berufungsleitfaden zur Qualitätssicherung – Berufungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Gleichstellungsaspektes“, dessen Ziel es ist, eine konsequente, systematische und durchgängige Integration von Gleichstellungsaspekten im Berufungsprozess zu sichern. So gibt er zum Beispiel vor, dass in jedem Berufungsausschuss außer der Frauenbeauftragten mindestens zwei Professorinnen Mitglied sein sollen, in der ersten Ausschusssitzung eine verpflichtende Schulung aller Ausschussmitglieder stattfindet, geschlechtsspezifische Karrierebiographien Berücksichtigung finden und ein proaktives Headhunting stattfindet.
Die Geschlechterverteilung in Bezug auf Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau zeigt sich als ein neues, sehr bedeutsames Aktionsfeld! Hier beschäftigen wir uns momentan vor allem mit den Fragen: Wer hat die befristeten, wer die unbefristeten Stellen inne und wer besetzt die höher bzw. wer die niedriger dotierten Stellen. Hier zeigt die Analyse der FAU-bezogenen Daten, dass die Zahl der unbefristeten Stellen in den Fakultäten insgesamt niedrig ist. Allerdings sind über die Fakultäten hinweg rund 77% der unbefristeten Stellen mit Männern besetzt! Bei den Karrierewegen – insbesondere im Bereich der A14/15-Stellen – zeigen sich dramatische Ungleichheiten in allen Fakultäten. Da eine relevante Voraussetzung für die Erhöhung des Frauenanteils an Promotionen, Habilitationen und Professuren die Steigerung der Frauenanteile auf wissenschaftlichen Mittelbaustellen sind, arbeiten wir aktuell intensiv daran, adäquate Maßnahmen hinsichtlich einer gleichstellungsorientierten Besetzung von Mittelbaustellen zu entwickeln. Diese Instrumente sollen Frauen gleichberechtigte Perspektiven einer akademischen Laufbahn eröffnen.
Ein weiteres interessantes Thema ist die Schulung bzw. Fortbildung aller Funktionsträger/-innen in leitenden Positionen der FAU zu den Themen Gender, Diversity und Familienfreundlichkeit. Dieses Jahr entwickelte die FAU im Rahmen des „audit familiengerechte hochschule“ – die FAU trägt das Zertifikat seit 2008 – neue Zielvereinbarungen zur Optimierung der Familienfreundlichkeit unserer Universität. Im Zentrum steht eine gender-, familien- und diversitätssensible Führung von MitarbeiterInnen bzw. die sukzessive Konzeptionierung einer systematischen Führungskräfteentwicklung und -fortbildung zur Stärkung der Kompetenz in Familien-, Gender- und Diversity-Fragen. Themen werden u.a. Personalauswahl und -einarbeitung, Peer-to-Peer-Beratung (KollegInnen beraten KollegInnen), MitarbeiterInnen-Gespräche, Konfliktlösungsstrategien und Teamprozessreflexion sein.
Ein weiteres aktuelles Arbeitsthema ist die Finanzierung der Überbrückung der Mutterschutzzeit von Mitarbeiterinnen und Professorinnen. Ein prioritäres Projekt ist die Vertretung der Mutterschutzzeit von Professorinnen. Aktuell wird an einem Konzept gearbeitet, das eine standardisierte, einheitliche und transparente Regelung der Finanzierung der Überbrückung der Mutterschutzzeit von Professorinnen garantiert. Mit dieser soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass Frauen hinsichtlich der Stellenbesetzung ein eklatanter Nachteil durch die fehlende Möglichkeit der Finanzierung einer Vertretung in der Mutterschutzzeit entsteht. Anders als Wirtschaftsunternehmen stehen der Universität hier keine Mittel zur Verfügung.
Schließlich: Dieses Jahr wurden – initiiert von den Frauenbeauftragten – universitätsweite Richtlinien zum Thema Sexuelle Belästigung seitens der Universitätsleitung verabschiedet. Im Frühjahr wird es hierzu eine 1. Fortbildungsveranstaltung für VertreterInnen der relevanten Gremien und Institutionen der FAU geben.
Weitere Fragen dieses Interviews finden Sie in der aktuellen Ausgabe des alexander – dem Magazin für Aktuelles an der FAU.
Informationen zum Büro für Gender und Diversity, das sich wie die Frauenbeauftragten für Gleichstellung einsetzt, finden Sie bald unter: „Das Büro für Gender und Diversity: Engagement für Gleichstellung“.