Rechnen für die Energiewende
FAU-Mathematiker machen deutsche Gasnetze fit für die Zukunft
Im Jahr 2022 sollen die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen. Bis dahin wird jedoch der Strombedarf des Landes nicht komplett aus Wind- oder Sonnenenergie gedeckt werden können. Deshalb wird Gas als Energieträger in den nächsten Jahrzehnten eine entscheidende Rolle zukommen. Doch wie kann man die deutschen Gasnetze für die wachsende Nachfrage bereitmachen? Das untersuchen Mathematiker der FAU und mehrerer Partnerinstitutionen aus ganz Deutschland jetzt in einem groß angelegten Forschungsprojekt. Mit voraussichtlich rund sieben Millionen Euro wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Transregio 154 „Mathematische Modellierung, Simulation und Optimierung am Beispiel von Gasnetzwerken“ in den kommenden vier Jahren finanzieren.
Wie viele andere Industrienationen hängt Deutschland stark von einer zuverlässigen, effizienten und finanzierbaren Energieversorgung ab. Gleichzeitig verlangen die Menschen nach umweltfreundlichen Energien. Gas gilt als gute Übergangslösung in der Energiewende. Der Energieträger ist in ausreichender Menge vorhanden, schnell verfügbar und die Möglichkeiten zur Speicherung sind groß. „Ein signifikanter Teil des gesamten Strombedarfs in Deutschland ließe sich allein in Gas speichern“, sagt Prof. Dr. Alexander Martin vom Lehrstuhl für Wirtschaftsmathematik der FAU, der das Großforschungsprojekt leitet.
Um das Land effizient mit Gas zu versorgen, gilt es noch einige Fragen zu beantworten, zum Beispiel wie man die Wege in so einem Netz steuern muss, dass große Mengen schnell und punktgenau zu ihren Bestimmungsorten transportiert werden – und das möglichst energie- und kosteneffizient. Die Expertinnen und Experten im Transregio wollen nun Lösungen für solche Probleme finden. Auch die Naturgesetze stellen die Wissenschaftler vor eine große Herausforderung: So müssen Gastransporteure den Nachweis führen, dass innerhalb gegebener technischer Kapazitäten alle am Markt zustande kommenden Verträge technisch erfüllbar sind. Sie müssen also dafür sorgen, dass das Gas so fließt, wie die Händler am Markt es verkauft oder gekauft haben. „Doch Gas strömt immer vom hohen Druck zum niedrigen Druck – und nicht zum höheren Preis“, sagt Mathematiker Martin „Da läuft der Handel oft quer zur Natur“, und ergänzt: „Wir müssen uns überlegen, wie man diese Welten vernünftig koppelt.“
„Noch funktionieren die deutschen Gasnetze einigermaßen zufriedenstellend“, erklärt Professor Martin. „Wir haben aber keine Garantien, dass alle Prozesse auch reibungslos ablaufen, wenn höhere Lasten zu bewältigen sind.“ Hier wollen die Wissenschaftler ansetzen und mit Mathematik Lösungen auf einem neuen Qualitätsstandard anbieten. Dazu werden Experten aus den verschiedensten Gebieten der angewandten Mathematik zusammenarbeiten wie der mathematischen Modellierung, der numerischen Analysis und Simulation sowie der ganzzahligen, kontinuierlichen und stochastischen Optimierung.
Die FAU sei ein idealer Standort für die Projektleitung eines solchen Forschungsvorhabens, betont Professor Martin – und das nicht nur, weil zwischen Erlangen und Nürnberg Deutschlands dickste Gasleitung mit der höchsten Durchflussrate verläuft. „Die FAU bietet mit ihrer Stärke in der angewandten Mathematik als Sprecherhochschule des Projekts die besten Voraussetzungen“, betont Martin. „Der Schwerpunkt auf Optimierung ist fast einmalig in Deutschland. Hinzu kommt, dass das Projekt an der FAU an den Energiecampus Nürnberg angebunden ist, wo Mathematiker und Energieexperten Hand in Hand arbeiten.“ Am Transregio sind außerdem die HU Berlin, die TU Berlin, die TU Darmstadt und die Universität Duisburg-Essen sowie das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) und das Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS) – Leibniz-Institut im Forschungsverbund Berlin – beteiligt.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Alexander Martin
Tel: 09131/85-67163
alexander.martin@math.uni-erlangen.de