Christian Nitsche
Der neue Zweite Chefredakteur von ARD-aktuell
Geboren 1971 in Nürnberg, war Christian Nitsche während eines Studiums zum Diplom-Kaufmann an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als freier Mitarbeiter der Nürnberger Nachrichten tätig. Seit 1993 arbeitete er für die ARD. Nach einem Volontariat beim BR wirkte er ab 1998 als Autor für Magazine wie „Plusminus“ und „Report München“.
Als Korrespondent berichtete er unter anderem aus dem Kosovo, dem Irak und Pakistan. Er wurde zudem in die ARD-Studios Tel Aviv und Istanbul entsandt. 2003 wechselte er als Fernsehkorrespondent ins ARD-Hauptstadtstudio. Er war dort unter anderem Ressortleiter Wirtschaft, „Tagesthemen“-Kommentator und Chef vom Dienst des „Bericht aus Berlin“. 2011 übernahm er die Presseabteilung des BR. Seit dem 1.5.2014 ist er neuer Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell in Hamburg und damit u.a. auch Leiter des Teams Tagesthemen.
Wollten Sie immer schon Journalist werden?
Der Berufswunsch hat sich während der Schulzeit entwickelt. Ich hatte sehr früh mit anderen eine Schülerzeitung, später eine jugendeigene Zeitung für mehrere Nürnberger Schulen gegründet. Gleich nach dem Abitur klopfte ich bei den Nürnberger Nachrichten an. Der Redaktionsleiter war erst sehr zögerlich. Ich bot an, auf jeden Fall einen Artikel zu schreiben, er brauche ihn ja nicht zu drucken. Der Artikel erschien und war der Einstieg als freier Journalist.
„Irgendwas mit Medien“ – dieser Ausspruch ist schon fast zu einem geflügelten Wort geworden. Was raten sie Studierenden, die diesen „Berufswunsch“ äußern?
„Irgendwas mit …“ ist sehr unspezifisch. Wer seinen Berufswunsch nicht genauer definieren kann, sollte genau prüfen, ob er die Weichen in die richtige Richtung stellt. Jeder, der sich für diesen Bereich interessiert, sollte zunächst versuchen, ausreichend Praxiserfahrung zu sammeln. Ist man nach mehreren Praktika und einer längeren Zeit als freelancer am Ende des Studiums weiterhin überzeugt, dass man in einem konkreten Aufgabenfeld der Medienbranche gute Arbeit leisten kann, dann ist dies zunächst eine gute Basis.
Zu beachten ist: Die Branche ist im Umbruch; Verlage versuchen mit unterschiedlichem Erfolg, ihre Geschäftsmodelle im Digitalzeitalter anzupassen. Niemand kann heute sagen, wie sich der Mediensektor in zehn Jahren strukturiert. Talent, Neugier, Kreativität und vor allem hohe Veränderungsbereitschaft sind Eigenschaften, die Einsteiger mitbringen sollten.
Als BWLer sind sie im Journalismus Quereinsteiger. War es schwer in den Beruf zu finden?
Wirtschaftswissenschaftler definiere ich nicht als Quereinsteiger, da sie Fachwissen mitbringen, das Qualitätsmedien in hohem Maße benötigen. Denken Sie nur an die internationale Finanzkrise ab 2008: Ihre Ursachen und Weiterungen zu analysieren, erfordert hohe Kompetenz.
Wer fest entschlossen ist, Journalist zu werden, für den bietet ein wirtschaftswissenschaftliches Studium eine gute Grundlage. Auch andere Fachstudiengänge sind geeignet, sofern man sie von Anfang an koppelt mit einer intensiven Tätigkeit als freier Journalist. Ein zusätzliches Volontariat wäre erstrebenswert. Ein Fachstudium mit der Ausbildung an einer renommierten Journalistenschule zu koppeln, ist ein ebenso guter Weg.
Wenn Sie zurückblicken, würden Sie heute im Hinblick auf Ihren Berufswunsch etwas anders machen?
Ich würde mich wieder für Journalismus entscheiden, keine Frage. Heute bietet es sich jungen Journalisten an, ein gewisse Zeit im Silicon Valley zu verbringen, um sich früh mit den kommenden digitalen Trends vertraut zu machen.
Von Nürnberg über Berlin nach München und Hamburg – vermissen Sie Franken?
Natürlich bin ich sehr gerne und auch regelmäßig in meiner Heimat. Franken bleibe ich immer verbunden. Und dennoch möchte ich keine meiner beruflichen Stationen, auch im Ausland, missen, sie waren immer eine Bereicherung.
Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Studienkolleginnen und -kollegen?
Zu ein paar Studienfreunden besteht in der Tat noch intensiver Kontakt. An der FAU sind feste Freundschaften entstanden.
An welches Ereignis aus Ihrer Studienzeit erinnern Sie sich immer wieder gerne zurück?
Es gibt kein besonderes Ereignis, das ich herausstellen möchte. Am meisten geschätzt habe ich den Zusammenhalt im Freundeskreis. Wir haben uns im Studium, gerade auch vor wichtigen Prüfungen, immer gegenseitig gestützt.
Was war Ihre Lieblingskneipe oder Ihr Lieblingsort in Nürnberg?
Damals war ein beliebter Treffpunkt das Café Ruhestörung, es hatte Kultstatus, ebenso das „Boot“ im Hafen.
Wenn Sie Ihr Bürofenster in Hamburg öffnen, was hören und sehen Sie?
Den Blick auf die Alpen aus dem 15. Stock in München, musste ich preisgeben. Der Innenhof in Hamburg kann da natürlich nicht mithalten. Aber unsere neue 18-Meter-Medienwand im neuen Tagesschaustudio entschädigt für den Verlust. Wir holen die Welt im XXL-Format ins Studio, der Fernblick ist so gesehen noch besser geworden.
Was war Ihr wichtigster beruflicher Erfolg?
Einem 17jährigen Jungen mit sehr weit fortgeschrittenem Muskelschwund mit Dreharbeiten eine Freude bereitet zu haben.
Sie haben sowohl journalistisch gearbeitet – und tun es heute wieder – als auch als Pressesprecher. Wie geht man mit den verschiedenen Seiten einer Medaille um?
Als Pressesprecher des BR habe ich mich bemüht, für journalistische Produktionen meiner Kolleginnen und Kollegen noch größere Aufmerksamkeit zu schaffen. Ich habe mich für die gleiche Sache, für Qualitätsjournalismus, eingesetzt. Jetzt steht die unmittelbare Arbeit am journalistischen Produkt wieder im Zentrum.
Ihr Geheimtipp für Erstsemester: Was muss man als Studierender der FAU unbedingt gemacht haben?
Kein Geheimtipp, sondern Grundregel seit Generationen von FAU-Studenten: In keinem Jahr die Erlanger Bergkirchweih verpassen!
Herr Nitsche, herzlichen Dank für das Interview!
Interview: Imke Zottnick-Linster (Mai 2014)