Dr. Ralf Thomas
Der Siemens-Finanzvorstand im Interview
Nach seiner Ausbildung zum Industriekaufmann studierte Dr. Ralf Thomas, Jahrgang 1961, von 1988 bis 1992 an der FAU Betriebswirtschaftslehre und promovierte danach auf dem Gebiet des Bilanzsteuerrechts. Anschließend startete der gebürtige Nürnberger 1995 bei Siemens seine Karriere und übernahm 1999 die Leitung des Bereichs Accounting and Treasury bei der Tochtergesellschaft in Südafrika.
Danach folgten verschiedene Führungspositionen bei Siemens Medical Solutions. Im Jahr 2004 wurde er Leiter des Bereichs Corporate Finance Accounting, Controlling, Reporting and Taxes der Siemens AG, vier Jahre später schließlich Finanzvorstand (CFO) des Sektors Industry. Seit September 2013 ist er CFO der Siemens AG und folgt damit auf den jetzigen Vorstand Joe Kaeser.
Schärfen Sie Ihr Urteilsvermögen!
Der FAU ist Thomas weiterhin durch einen Lehrauftrag verbunden.
Warum haben Sie an der FAU studiert und promoviert?
Die Ausbildung zum Industriekaufmann hat in mir den Wunsch geweckt, mein Wissen durch ein Studium zu vertiefen und die theoretischen Grundlagen mit dem bereits Gelernten zu verknüpfen. Als sich die Möglichkeit ergab, über eine praktische Fragestellung aus der Unternehmensrealität zu promovieren, hatte ich nicht lange gezögert. Sowohl das Studium als auch die Promotionszeit haben mir persönlich und inhaltlich wesentliche Impulse für mein späteres Berufsleben gegeben.
Wenn Sie an Ihre Studienzeit zurückdenken – worüber müssen Sie heute noch schmunzeln?
Es gab viele amüsante Momente, von denen mir einer ganz besonders in Erinnerung geblieben ist. Eines Tages im Seminar meinte einer meiner Professoren: „Herr Thomas, Sie haben ganz interessante ‚Gedankengänge‘, nur denken Sie leider hauptsächlich in ‚Werkshallen‘.“ Allzu sehr hat mir das Gott sei Dank nicht geschadet… ?
Sie haben einen Lehrauftrag an der Friedrich-Alexander-Universität inne. Was bedeutet Ihnen die Verbindung mit Ihrer Alma Mater?
Die Kombination von Ausbildung und Studium hat mir gezeigt, wie gut sich Theorie und Praxis verbinden lassen können. Diese Erkenntnis möchte ich an Studenten weitergeben. Ich möchte sie dazu anregen, durch eigenständiges Denken individuelle und pragmatische Lösungen zu entwickeln, um die Herausforderungen des Arbeitsalltags zu bewältigen. Ein gut strukturierter analytischer Rahmen kann dabei sehr nützlich sein, insbesondere um Probleme zu lösen, denen man erstmalig gegenüber steht.
Auch der Siemens AG sind Sie seit Ihrem Einstieg im Jahr 1995 treu geblieben. Seit September sind Sie Finanzvorstand. Was gefällt Ihnen an dieser Position besonders?
Die Kolleginnen und Kollegen in unserer weltweiten Finanzorganisation zeichnen sich durch einen beeindruckend starken Teamgeist aus. Das schätze ich sehr. Manchmal bin selbst ich überrascht, was ein kompetentes und motiviertes Team leisten kann, wenn alle am selben Strang ziehen – und in dieselbe Richtung!
Welche drei Eigenschaften muss ein Chief Financial Officer (CFO) mitbringen?
Es sind sicher mehr als drei. Persönliche Integrität ist die conditio sine qua non. Daneben sind meines Erachtens Objektivität, Offenheit, Bescheidenheit, Konsequenz und Teamgeist besonders wichtig.
Welchen Ratschlag würden Sie Absolventen für ihren Berufsstart geben?
Schärfen Sie Ihr Urteilsvermögen! Trainieren Sie es, möglichst viele verschiedene Perspektiven einzunehmen und dabei Erfahrungen zu sammeln. Dazu muss man nicht unbedingt das Unternehmen wechseln. Ganz im Gegenteil: Perspektiven-Pluralismus im gewohnten Umfeld schärft den Blick für das Wesentliche und hilft dabei, Prioritäten zu setzen!
Welche Rolle spielen Netzwerke für Sie − beruflich und privat?
Netzwerke bedeuten die Bündelung von Wissen und Erfahrung. In einer Welt, die sich ständig neu erfindet, wird es immer wichtiger, offen zu bleiben für neue, zukunftsorientierte Sichtweisen. Einzelkämpfer können da wenig bewirken. Andererseits können Netzwerke die Kompetenz des Einzelnen nicht ersetzen. Privat schätze ich mich glücklich, Menschen aus den unterschiedlichsten Berufssparten zu meinem Freundeskreis zählen zu können – vom bodenständigen Handwerker bis zum Weltklasse-Forscher.
Wenn Sie sich einen perfekten Tag vorstellen − was gehört unbedingt dazu?
Das Lächeln meiner drei Töchter.
Herr Dr. Thomas, herzlichen Dank für das Interview!
Interview: Imke Zottnick-Linster (Januar 2014)