„Handlungsbedarf hat in keiner Weise abgenommen“

Imke Leicht vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der FAU (Bild: privat)
Imke Leicht vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der FAU (Bild: privat)

Seit rund zehn Jahren erinnert der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November an die unterschiedlichen Formen der Gewalt unter den Frauen weltweit leiden. Seitdem hat sich viel getan, um dieser Gewalt entgegenzuwirken. Warum trotzdem weiterhin Handlungsbedarf besteht, erklärt Imke Leicht vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der FAU.

Im Jahr 1981 haben Frauenrechtsorganisationen international den 25. November als Tag gegen Gewalt gegen Frauen ausgerufen, der 1999 von den Vereinten Nationen (UN) als der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ deklariert wurde. Der Aktions- und Gedenktag erinnert daran, dass Frauen überall auf der Welt von den unterschiedlichsten Formen von physischer, psychischer und ökonomischer Gewalt betroffen sind. Dazu zählen: Vergewaltigung, sexueller Missbrauch sowie Belästigung, häusliche Gewalt, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität, Zwangs- und Armutsprostitution, Frauenhandel, Genitalverstümmelung und sogenannte Ehrenmorde. Laut einer im Juni 2013 veröffentlichten Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist weltweit jede dritte Frau Gewalt ausgesetzt. Ein weiteres Ergebnis ist, dass nicht nur Frauen in Armut und in der Dritten Welt betroffen sind, sondern genauso wirtschaftlich unabhängige Frauen aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Die Erhebung zeigt zudem auf, dass Gewalt gegen Frauen in allen Ländern, kulturellen Kontexten und gesellschaftlichen Bereichen auftritt.

Gewalt gegen Frauen stellt eine eklatante Menschenrechtsverletzung dar und ist seit Anfang der 1990er Jahre vor allem im Zusammenhang mit der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) explizit Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzsystems. Dies bedeutete einen Durchbruch in der Ausweitung menschenrechtlicher Handlungsfelder. Denn bis dahin blieb der private Bereich dem Menschenrechtsschutz verschlossen. Die verschiedenen Formen von geschlechtsbezogener Gewalt betreffen jedoch alle Lebensbereiche: Sie verletzen das Recht auf Leben, das Recht auf Gleichberechtigung  und Nichtdiskriminierung, das Recht auf Freiheit und persönliche Sicherheit, das Recht auf Rechtsschutz, das Recht auf körperliche und seelische Gesundheit, das Recht auf angemessene Arbeitsbedingungen oder auch das Recht auf den absoluten Schutz vor Folter und grausamer Behandlung. Geschlechtsbezogene Gewalt verletzt die Würde des Menschen.

In Deutschland stehen in den letzten Jahren bisher vernachlässigte und besonders verwundbare Gruppen im Fokus, wie Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen in der Pflege. Aber auch Frauen und Mädchen mit Migrationsgeschichte oder ohne gesicherten Aufenthaltsstatus sind in besonderer Weise der Gefahr durch Gewalt ausgesetzt. Dadurch wird nicht zuletzt die Schwelle bei den Betroffenen erhöht, Schutz vor Stigmatisierung, Demütigung und Einschüchterung zu suchen bzw. dagegen vorzugeben. Zudem wird deutlich, dass geschlechtsbezogene Gewalt meist mit unterschiedlichen Formen und Kategorien von gesellschaftlicher Ungleichheit und Ausgrenzung einhergeht, wie Alter, sozialer Status, Hautfarbe, Ethnizität, Behinderung. Geschlechtsbezogene Gewalt und Diskriminierung hat folglich mehrdimensionale Ursachen.

So hat der Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen trotz internationaler Aufmerksamkeit in keiner Weise abgenommen. Im Gegenteil, genau deswegen und aufgrund zunehmender Erkenntnisse hinsichtlich der vielschichtigen Formen von Gewalt sind alle gesellschaftlichen Akteure – wie Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltungen, Sozialeinrichtungen, Polizei und Justiz – dazu aufgerufen, mit Präventions-, Aufklärungs- und Schutzprogrammen den unterschiedlichen Bereichen und Formen von Gewalt gegen Frauen entschieden entgegenzutreten. Die Ursachen von geschlechtsbezogener Gewalt liegen jedoch in gesellschaftlich tief verankerten Geschlechterstereotypen, sozioökonomischen Gewalt- und Ungleichheitsverhältnissen begründet, ohne deren Beseitigung Gewalt gegen Frauen nicht nachhaltig bekämpft werden kann.

Weitere Informationen:

Imke Leicht
Tel.: 09131/85-23272
imke.leicht@fau.de