Bürgerkrieg in Syrien: Israel in der Zwickmühle

Peter Lintl (Bild: FAU)
Peter Lintl (Bild: FAU)

Der Bürgerkrieg in Syrien eskaliert zunehmend, Politiker aus aller Welt diskutieren über einen Militäreinsatz. Für den Nachbarstaat Israel eine wichtige Debatte – führt die Entscheidung für oder gegen einen Einsatz schließlich zu spürbaren Konsequenzen für Israel. Welche Konsequenzen das sind und warum Israel sich in einer Zwickmühle befindet, erklärt Peter Lintl, Israel-Experte an der Professur für Zeitgeschichte/Politikwissenschaft des Nahen und Mittleren Ostens der FAU.

Die Welt blickt mit Sorge auf die Eskalation des syrischen Bürgerkriegs, bei dem der wahrscheinliche Giftgaseinsatz des Asad-Regimes einen neuen, traurigen Höhepunkt darstellt. Auch dessen Nachbarstaat Israel beobachtet angespannt die weiteren Entwicklungen in Syrien – noch aufmerksamer seitdem einige westliche Staaten ein militärisches Vorgehen gegen das Assad-Regime angekündigt haben.

Israel bringt dieser Militärschlag in eine schwierige Position. Zwar unterstützt Israel spätestens seit der Giftgasattacke ein Vorgehen gegen Assad, wie Israels Ministerpräsident Netanyahu betont. Gleichzeitig fürchtet Israel jedoch die möglichen strategischen Konsequenzen eines solchen Vorgehens.

Derzeit scheint die sicherheitspolitische Lage für Israel auf eine Wahl zwischen Pest und Cholera hinauszulaufen: Auf der einen Seite steht das Assad-Regime, das zusammen mit dem Iran und der Hizbollah die sogenannte Achse des Widerstandes gegen Israel formiert und Aktionen der Hizbollah gegen Israel unterstützt. Die Israelis fürchten, dass ein in die Enge getriebener Asad Giftgasangriffe auch auf ihr Land starten könnte. Stimmen aus Asads Regime haben dies bereits angedroht.

Auf der anderen Seite ist sich die israelische Regierung keineswegs sicher, ob sie einen Sieg der Rebellenarmee begrüßen könnte. Zwei Gründe spielen hier eine Rolle. Erstens traut sie der „Freien Syrischen Armee“ nicht zu, dass sie Stabilität ins Land bringt – dazu ist sie zu heterogen, ihre einzelnen Verbände verfolgen zu unterschiedliche Interessen: In ihr schließen sich Deserteure der regulären Staatsarmee mit islamistischen Hardlinern zusammen, die wohl einen streng-islamischen Staat anstreben. Dazu kommen noch jihadistische Freischärler, die statt Staatlichkeit eine Destabilisierung der Region im Sinne al-Qaidas anstreben, sowie kurdische Kämpfer, die ein Autonomiegebiet für sich beanspruchen. Diese militanten Gruppen kämpfen zwar alle gegen das Assad-Regime, teilweise aber auch gegeneinander.

Diese Rivalität begünstigt zweitens jene Gruppen, die Interesse an einer Destabilisierung der Region haben – sprich die al-Qaida-nahen Zellen. Für diese sind säkulare Nationalisten wie Asads Baath-Partei, die Schiiten im Iran und die Hizbollah genauso Feinde wie die USA und Israel. Israel hat dies bereits in Form von Übergriffen von al-Qaida-Zellen aus Syrien, dem Libanon sowie aus der ägyptischen Sinaihalbinsel zu spüren bekommen. Die größte Sorge der Israelis derzeit ist, dass im Zuge einer weiteren Destabilisierung Syriens das Assad-Regime die Kontrolle über die Giftgasvorräte verlieren würde und diese schlimmstenfalls in die Hände der al-Qaida-Zellen beziehungsweise der Hizbollah geraten würden.

Fraglich ist, wie Israel auf eine weitere Destabilisierung Syriens reagieren wird. Israel wird sich sicherlich davor hüten, durch militärisches Eingreifen die Situation in Syrien weiter zu verschärfen. Einzige Ausnahme: Wenn die Gefahr besteht, dass al-Qaida-Zellen oder die Hizbollah die Möglichkeit erhalten, an chemische Waffen zu gelangen und damit die Sicherheit der israelischen Bevölkerung bedroht ist. So wurden kürzlich zum Beispiel Flugzeugangriffe gegen einen Konvoi geführt, der angebliche Waffenlieferungen an die Hizbollah mit sich führte. Dies würde Israel mit allen Mitteln unterbinden, was primär Geheimdienstoperationen oder Flugangriffe bedeuten würde. Aber das ist zum momentanen Zeitpunkt spekulativ.

Die derzeitigen Szenarien sind für die Israelis also von einem sicherheitspolitischen Standpunkt heraus nicht günstig: Ein Sieg des Asad-Regimes würde die israelfeindliche Achse Hizbollah-Syrien-Iran stärken; bei einem Sieg der Rebellengruppen besteht die Gefahr, dass sich islamistische Kräfte durchsetzen, die Israel noch feindlicher gegenüberstehen, als das alte Regime; und bei einer Fortsetzung des Bürgerkrieges droht sich die Lage weiter zu destabilisieren, so dass al-Qaida-Zellen unter Umständen an chemische Waffen gelangen könnten.

Israels Hoffnung liegt darauf, dass es eine politische Lösung für den Bürgerkrieg gibt – auch wenn das im Moment noch weit entfernt scheint.

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Weitere Informationen:

Peter Lintl
Tel.: 09131/85-24774
peter.lintl@fau.de