Ohne Militär wird es nicht gehen

Christian Wolff
Christian Wolff (Bild: FAU)

FAU-Politikwissenschaftler Christian Wolff zur Lage in Ägypten

Am 3. Juli hat in Kairo – je nach Blickwinkel der Kommentatoren – ein Militärputsch oder eine demokratische Revolution stattgefunden. Die oppositionelle Bewegung Tamarud (zu deutsch: Rebell) hatte mehrere Millionen Unterschriften gegen den Präsidenten gesammelt und legitimiert damit die Forderung nach dem Rücktritt Mohammed Mursis. Der reale Machtwechsel ist jedoch vom Militär vollzogen worden. Warum dessen Beweggründe weniger am Gemeinwohl, als an eigenen wirtschaftlichen Interessen orientiert sein dürften, erklärt Christian Wolff vom Institut für Politikwissenschaft der FAU.

Das Militär spielt in Ägypten seit der Revolution von 1952 eine maßgebliche politische Rolle. Es wird vom Westen oft als Hüter des Friedensvertrags mit Israel wahrgenommen und hierfür besonders durch US-Amerikanische Militärhilfe in Milliardenhöhe entlohnt. Die Präsidenten Nasser, Sadat und Mubarak konnten sich fast immer auf die Loyalität des Militärs stützen. Erst 2011, so scheint es, ist diese Loyalität ins Wanken geraten. Bedingt durch den wachsenden Einfluss der neoliberalen Eliten um Hosni Mubaraks Sohn Gamal, hat das Militär seit 2005 schrittweise seine Machtbasis verloren. Die Proteste 2011 waren deshalb für das Militär die Gelegenheit, ihre Macht wieder herzustellen, indem es Präsident Mubarak die Loyalität aufkündigte, ihn absetzte und auch die Kreise um Gamal Mubarak von der Macht ausschloss.

In der Zeit der Militärregierung durch den Obersten Rat der Streitkräfte (SCAF – für Supreme Council of the Armed Forces) bis zur ersten freien Präsidentenwahl konnte das Militär in der direkten politischen Arbeit keine Erfolge verbuchen und sah sich zunehmender Unzufriedenheit seitens der Bevölkerung gegenüber. Dies liegt auch darin begründet, dass die SCAF weiterhin an Maßnahmen des Ausnahmezustandes festhielt: Unter der SCAF wurden mehr Zivilisten vor Militärgerichte gebracht, als im Jahr davor unter Mubarak.

Man kann davon ausgehen, dass auch mit den Muslimbrüdern eine Vereinbarung zur Machtteilung vorgenommen wurde. So wurden dem Militär in der Verfassung Budgethoheit ohne parlamentarische Kontrolle, weitgehende außenpolitische Befugnisse und einen aus dem Militär stammenden Verteidigungsminister zugesichert. Ohne das Militär, das hat nun auch Mursi erfahren, ist eine Präsidentschaft in Ägypten wohl nicht möglich. Auch die Verfassungsänderungen, die nun vorgenommen werden sollen, werden die Rolle des Militärs nicht schwächen. Es wird seine über der Verfassung stehende Position behalten und weiter absichern.

Der abgesetzte Präsident Mursi verweist durchaus mit einigem Recht darauf, dass er der erste demokratisch gewählte Präsident Ägyptens sei und deshalb ein Militärputsch stattgefunden habe. Die Frage, wie legitim seine Art der Herrschaft und wie legitim die Oppositionsbewegung gegen ihn agiert hat, ist daher nur schwer zu beantworten. Ein einfaches Schwarzweißschema funktioniert hier nicht.

Mursi hat es in seiner einjährigen Amtszeit nicht geschafft, die vielen gesellschaftlichen Strömungen zu integrieren und konnte auch keine wirtschaftliche Verbesserungen erreichen. Ob die Bruderschaft nun die Absetzung Mursis gewaltlos hinnehmen wird, bleibt fraglich. Möglich wäre es, da es in der Bruderschaft kompromissbereite Gruppen gibt. Die Muslimbruderschaft ist jedoch, sollte es zu einer sogenannten Regierung der nationalen Einigkeit kommen, ein Akteur, der dort auf Grund seiner breiten gesellschaftlichen Verankerung repräsentiert sein muss.

Fest steht: Das Militär ist in Ägypten der maßgebliche Machtfaktor und wird seine jetzige machtpolitische Hochphase nicht ohne weiteres an eine zivile Regierung abgeben. Eine neue Regierung und ein neuer Präsident werden sich mit dem Militär verabreden müssen. Die Gefahr, dass das Militär Präsidenten stürzt, die den militärischen Sektor zu sehr beschneiden wollen, ist seit dem 3. Juli 2013 deutlicher als zuvor.

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Christian Wolff
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