Knochen- und Immunzellen scheinen zu „twittern“

Schwerpunktprogramm der FAU erhält 6,8 Mio. Euro für weitere drei Jahre

Die körpereigene Abwehr und das Knochensystem stehen in ständigem Kontakt und kommunizieren über ein komplexes Netz von molekularen Verbindungswegen. In den Wechselwirkungen der beiden Systeme könnte der Schlüssel zur Linderung oder sogar Heilung rheumatisch-entzündlicher Erkrankungen wie zum Beispiel rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew oder Arthrose sein. Das Forscherkonsortium „IMMUNOBONE“ unter Leitung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) (Sprecher: Prof. Dr. Georg Schett) entschlüsselte in den vergangenen drei Jahren bereits einige der Mechanismen, die wesentlich für das Wechselspiel zwischen den beiden Systemen sind. Jetzt startet das „Schwerpunktprogramm 1468“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Osteoimmunology – IMMUNOBONE – A Program to Unravel the Mutual Interactions between the Immune System and Bone“ mit 21 Projektgruppen und einer Gesamtförderung von 6,8 Millionen Euro in seine zweite Förderperiode.

Zentraler Dreh- und Angelpunkt des Verbundprojekts IMMUNOBONE sind die Verbindungen zwischen knochenfressenden und knochenbildenden Zellen, den so genannten Osteoklasten und Osteoblasten, sowie den Zellen und Botenstoffen des Immunsystems. „Ausgehend davon, dass das Knochenmark die Brutstätte jener Stammzellen ist, aus der alle Immunzellen hervorgehen, müssen das Knochen- und Immunsystem über ein Vielfalt an Kommunikationskanälen miteinander sprechen“, erklärt Prof. Dr. Georg Schett. „Der Knochen stellt dem Immunsystem einen Kommunikationskanal zur Verfügung, welcher die Entwicklung und Funktion des Immunsystems erst ermöglicht. Umgekehrt modellieren Prozesse des Immunsystems, wie Entzündung, den Knochen“, sagt Professor Schett. „Die Interaktionen der beiden Systeme sind vergleichbar mit denen in sozialen Netzwerken. Man könnte behaupten, dass unsere Zellen miteinander twittern – sie senden Botenstoffe aus, um eine Reaktion zu provozieren oder einen neuen Prozess in Gang zu setzen. Ganz ähnlich wie im Internet: Es werden Beiträge geposted, die Diskussionen in Echtzeit auslösen und mittels der komplexen Vernetzungen unter den Mitgliedern in weitere Netzwerke gelangen. Vermutlich funktioniert die Zusammenarbeit des Knochen- und Immunsystems ähnlich. Wir kennen einige dieser Networker und deren Spezialisierungen sowie ihre Kontakte, aber eben noch nicht alle. Wir arbeiten daran weitere dieser Kommunikationskanäle zu erkennen, um das verwobene Verbindungsnetz besser zu verstehen“, erklärt Prof. Schett.

Das interdisziplinäre Verbundprojekt IMMUNOBONE hat in seinen ersten drei Jahren einen essentiellen Beitrag geleistet, die das Wechselspiel zwischen dem Immun- und Skelettsystem zu erforschen. Innerhalb der ersten Förderperiode sind mehrere molekulare Mechanismen entschlüsselt worden, die innovative Ansätze für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden von rheumatisch-entzündlichen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew, eine Erkrankung die zu Versteifungen der Wirbelsäule führt, oder Arthrose ermöglichen. Die Betroffenen leiden unter äußerst schmerzhaften, chronisch verlaufenden Gelenkentzündungen, die zu Verformungen der Gelenke und Knochen bis hin zu deren Zerstörung führen. Häufig attackiert dabei das Immunsystem den eigenen Körper. Um diese Entwicklung zu unterbinden, muss die Erkrankung in einem frühen Stadium erkannt werden. Bereits vor Ausbruch der rheumatoiden Arthritis können beispielsweise Antikörper gegen citrullinierte Proteine (CCP) im Blut der Patienten nachgewiesen werden. Im Schwerpunktprogramm IMMUNOBONE konnte belegt werden, dass diese Autoantikörper direkt die Bildung knochenfressender Zellen anregen und damit schon vor Ausbruch der Krankheitssymptome Knochenabbau auslösen. Damit könnte künftig der weitere Verlauf der Erkrankung durch die Einnahme entsprechender Medikamente gehemmt oder sogar verhindert werden.

Ist die rheumatisch-entzündliche Erkrankung bereits ausgebrochen, wird zur Linderung der Symptome häufig Cortison verordnet. Ein Medikament, das jedoch besonders bei längerer Einnahme oft mit ausgeprägten Nebenwirkungen verbunden ist. Wichtige Details des Wirkmechanismus, die für die Reduzierung der Nebenwirkungen nutzbar sind, konnten  die Wissenschaftler von IMMUNBONE entdecken. Sie wiesen nach, dass Cortison direkt auf so genannte T-Zellen ein Typ der Abwehrzellen des Immunsystems, wirkt. Das Immunsystem besitzt zum Schutz vor Krankheitserregern verschiedene Abwehrzellen: Neben den T- und B-Zellen gibt es die Makrophagen. Diese Zellen vernichten schädliche Erreger, sind aber zugleich für die Entsorgung von abgestorbenen körpereigenen Zellen zuständig. Wie diese Zellen zwischen schädlichen Eindringlingen und toten Zellen unterscheiden, konnte jüngst ebenfalls durch die Forschungsarbeit von IMMUNOBONE entschlüsselt werden.

Neu ist auch, dass die Forscher von IMMUNOBONE einen molekularen Schalter identifizieren konnten, der für die Balance von Knochenabbau und Knochenaufbau zuständig und damit vielversprechend für die Behandlung unterschiedlicher Skeletterkrankungen wie Osteoporose ist. Dieser „Feng-Shui“-Faktor des Knochens ist gleichzeitig wichtig für die Muskelfunktion und den Blutzuckerhaushalt. Dabei entsteht im Moment ein neues Bild der Kommunikation von Organsystemen im Körper, welches die Forschergruppen dieser durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gegründeten Initative weiter vorantreiben. Beispielsweise spielt das Eiweiß namens RANKL (Receptor activatorof NF-kB Ligand), welches zum Knochenabbau und so zur Entwicklung von Osteoporose beiträgt, eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Diabetes Mellitus Typ 2, dem sogenannten Alterszucker. Möglicherweise kann dadurch gleichzeitig auch eine bessere Therapie des Diabetes Mellitus Typ 2 in der Zukunft möglich werden.

Weitere Informationen:

Sandra Jeleazcov
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