Blick in die explosive Vergangenheit der Sterne
Die weltweit einzigartige Astronomische Sammlung der FAU wird
digitalisiert und verspricht zahlreiche neue Entdeckungen
Wer das Archiv des Astronomischen Instituts der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) betritt, kann mit eigenen Augen ein kleines Kapitel der Geschichte des Universums betrachten. Dort – in der Bamberger Dr.-Remeis-Sternwarte – lagern, in Stahlschränken sicher verwahrt, rund 40.000 gläserne Fotoplatten, die etwa fünf Jahrzehnte aus dem Leben der Sterne zeigen. Ein großer Teil der Aufnahmen ist weltweit einzigartig und für die Forschung von unschätzbarem Wert. Deshalb haben die Wissenschaftler der FAU jetzt begonnen, die Aufnahmen in einem aufwändigen Verfahren zu digitalisieren. In dem Projekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, kooperieren sie mit Fachkollegen der Universität Hamburg und dem Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam, die noch einmal insgesamt 45.000 historische Fotoplatten verwahren.
Mehrere Generationen von Wissenschaftlern haben daran gearbeitet, das Archiv des Astronomischen Instituts zusammenzutragen. Es beherbergt die Ausbeute zweier Himmelsdurchmusterungen, deren Ziel es war, so genannte veränderliche Sterne zu finden – Sterne, deren Helligkeit über längere Zeiträume betrachtet schwankt – und zum Beispiel mehr über den Lebenszyklus der Sterne und die Häufigkeit von Sternenexplosionen herauszufinden.
Im Jahr 1925 haben die Bamberger Astronomen damit begonnen, den nördlichen Sternenhimmel systematisch abzufotografieren. Zwischen 1963 und 1976 widmeten sich die Forscher dann von Observatorien in Südafrika, Neuseeland und Argentinien aus der Beobachtung des Südhimmels. Diese Aufnahmen – immerhin 20.000 Platten – sind weltweit einmalig, denn in den 1960er Jahren gab es keine weiteren astronomischen Projekte, die den Südhimmel überwachten.
Den Sternenhimmel auf eine Fotoplatte zu bannen, war ein aufwändiges Verfahren: Rund eine Stunde musste das Negativ händisch in der Weitwinkelkamera belichtet werden, um auch schwach leuchtende Sterne sichtbar zu machen. Heute stehen den Wissenschaftlern robotisch arbeitende Teleskope zur Verfügung, die über das Internet verbunden sind, außerdem hoch empfindliche Kameras, die selbst schwache Lichtquellen abbilden können.
Mühselig gestaltete sich auch die Auswertung der Fotoplatten, denn jede einzelne zeigt zehntausend bis hunderttausend Sterne. Die Suche nach „Veränderlichen“ war also sprichwörtlich eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wichtigstes technisches Hilfsmittel der Astronomen war der Blinkkomparator, mit dem sich je zwei Aufnahmen des gleichen Himmelsabschnitts miteinander vergleichen lassen und der ganz ähnlich wie ein Daumenkino funktioniert: Der Apparat zeigt die beiden Fotoplatten abwechselnd in schneller Folge, so dass veränderliche Sterne als blinkende Punkte zu erkennen sind. Auf diese Weise haben FAU-Wissenschaftler rund 1700 solcher Sterne entdeckt, die als die „Bamberger Veränderlichen“ in die Fachliteratur eingegangen sind. „Doch dies ist nur die Spitze des Eisbergs“, meint Prof. Dr. Ulrich Heber vom Astronomischen Institut der FAU. „Mit modernen Computertechniken können wir nun die Liste der Bamberger Veränderlichen verlängern – und das fast 40 Jahre nach dem Ende der Durchmusterungen.“
Deshalb haben die Wissenschaftler die Platten aus den Archiven geholt und damit begonnen, sie in hoher Auflösung einzuscannen und mit den so genannten Logbuch-Einträgen zu verknüpfen. Das sind Notizen, die die Wissenschaftler beim Beobachten und Auswerten der Aufnahmen gemacht haben. Aus diesen Informationen lässt sich zum Beispiel ablesen, wann und wo die Aufnahmen angefertigt wurden. Die gewaltigen Datenmengen, die dabei generiert werden – insgesamt etwa zehn Terabyte –, müssen verarbeitet und mit komplexen Algorithmen genau kalibriert werden. Dann können künftig Wissenschaftler aus aller Welt damit arbeiten. Über das internationale Virtual Observatory werden die Bilder mit unzähligen anderen Himmelsaufnahmen vernetzt und sind jedermann zugänglich. So lassen sich die historischen Aufnahmen mit aktuellen Bildern vergleichen und erlauben ganz neue Erkenntnisse über das Werden, Sein und Vergehen der Sterne …
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Ulrich Heber
Tel.: 0951/95222-14
Ulrich.Heber@sternwarte.uni-erlangen.de