Neue Lehrinhalte für die Elektromobilität
FAU entwickelt auf die Anforderungen der Elektromobilität abgestimmte Lehrveranstaltungen
Elektromobilität ist ein wachsender Markt, der in den kommenden Jahren viele hochqualifizierte Fachkräfte benötigt. Noch fehlen jedoch eigens darauf ausgerichtete Studiengänge und Fortbildungsmöglichkeiten. Diese Lücke wollen jetzt Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit drei weiteren Universitäten und zwei Hochschulen in einem Verbundprojekt schließen: Im Rahmen der „Akademischen Bildungsinitiative Schaufenster Elektromobilität Bayern/Sachsen“ entwickeln sie Lehrinhalte für den Bereich Elektromobilität. Das über drei Jahre laufende Projekt wird mit über 3 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Die Entwicklung und Nutzung von Fahrzeugen, die sich einfach an jeder Steckdose aufladen lassen, gewinnt zunehmend an Gewicht für die Gesellschaft. In Zeiten von wachsender Ressourcenknappheit, Klimaerwärmung und immer mehr Autofahrern weltweit bietet die Elektromobilität eine gute Alternative zu Verbrennungsmotoren, da sie bei Nutzung von erneuerbaren Energiequellen den Kohlendioxidausstoß drastisch reduziert. Um die Elektromobilität weiter voranzutreiben, braucht die Industrie zukünftig eine große Anzahl an Fachkräften – vor allem Ingenieure. Lehrveranstaltungen oder Ausbildungen, die auf die besonderen Anforderungen von Elektrofahrzeugen vorbereiten, gibt es bisher jedoch nur wenige. Denn viele der neuen Fragen stellen sich bei herkömmlichen Autos nicht: Wie kommt die elektrische Energie in das Fahrzeug? Wie kann die Lebensdauer einer Batterie verlängert werden? Wie können leistungsstarke elektrische Wandler kompakt, effizient, störungsarm und kostengünstig realisiert werden?
In einem interdisziplinären Konsortium erarbeiten Hochschullehrer und Wissenschaftler der Technischen Fakultät der FAU zusammen mit den Technischen Universitäten in München, Chemnitz und Dresden deshalb Lehrinhalte, die sich mit den verschiedenen Themengebieten der Elektromobilität beschäftigen. Der Schwerpunkt an der FAU liegt dabei auf der Automobilelektronik. Die resultierenden Lehrmodule stellen die Wissenschaftler anschließend bundesweit Bildungseinrichtungen zur Verfügung. Sie sollen als Grundlage für Vollzeitstudiengänge, „Summer Universities“ sowie Fortbildungsprogramme für Spezialisten und Führungskräfte dienen. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Zwickau und Ingolstadt entwickeln Studiengänge für den Bereich Elektromobilität.
Automobilelektronik für E-Fahrzeuge
An der FAU entwickeln Wissenschaftler vier Lehrmodule mit Praktikumsversuchen, die sich mit der Automobilelektronik für E-Fahrzeuge beschäftigen. Die Themenfelder umfassen dabei leistungselektronische Systemtechnik im Antriebsstrang, elektromagnetische Verträglichkeit, Mess- und Sensortechnik im Elektromobil sowie Fahrassistenzsysteme.
Am Lehrstuhl für Elektronische Bauelemente entwickeln der Leiter Prof. Dr. Lothar Frey und Dr. Martin März ein Vorlesungsmodul, welches die speziellen Gegebenheiten der Hybrid- und Elektroautos adressiert. Musste bei herkömmlichen Fahrzeugen noch die Funktionsweise der Lichtmaschine vermittelt werden, die vom Verbrennungsmotor angetrieben elektrische Energie im Fahrzeug zur Verfügung stellt, fällt dies bei Elektroautos weg. Stattdessen kommen hier völlig neue elektrische Spannungswandler zum Einsatz. Als Ladegerät wandeln sie beispielsweise Wechselstrom in Gleichstrom, um die Batterie aus dem öffentlichen Stromversorgungsnetz zu laden. Andere Wandler wiederum konvertieren den Gleichstrom aus dem elektrischen Energiespeicher des Fahrzeugs in einen Wechselstrom variabler Frequenz und Stärke, um z.B. den elektrischen Fahrantrieb steuern zu können. Für eine effiziente Nutzung der verfügbaren Energie und damit eine maximale Reichweite sorgen Gleichspannungswandler, die dem Fahrantrieb stets die optimale Betriebsspannung zur Verfügung stellen – unabhängig vom Ladezustand der Batterie.
Völlig neue Herausforderungen für die Automobilbranche liegen auch in der elektromagnetischen Verträglichkeit von Elektroautos: Die neuen Fahrzeuge sollen sich weder durch Rundfunksender oder Mobiltelefone beeinflussen lassen, noch von sich aus andere Elektronik stören – und das, obwohl die in Elektrofahrzeugen umgesetzten elektrischen Leistungen etwa um den Faktor einhundert höher sind, als die in heutigen Automobilen. So wird das von Prof. Dr. Manfred Albach, Leiter des Lehrstuhls für Elektromagnetische Felder, zu entwickelnde Modul die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet vorstellen.
Das Vorlesungsmodul „Sensorik für den elektrischen Antriebsstrang“, an dem Leiter Prof. Dr. Reinhard Lerch und Dr. Stefan J. Rupitsch vom Lehrstuhl für Sensorik arbeiten, soll den Studierenden Kfz-gerechte Sensoren sowie Messverfahren zur Ermittlung der mechanischen Größen „Drehmoment“ und „Drehzahl“ näher bringen. Diese beiden Größen sind bereits von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor bekannt, spielen aber auch bei Elektroautos eine entscheidende Rolle. Aus ihnen lässt sich unter anderem die aktuelle Leistungsabgabe des Elektromotors ermitteln. Dadurch ist es unter anderem möglich, eine Überlastung des Motors frühzeitig zu erkennen und Hinweise zu energiesparendem Fahren zu geben.
Ob drahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation, genaue Ortung oder energiesparendes Fahren mit Radar-Abstandsregelung: Auch in Elektroautos spielen Fahrassistenzsysteme eine große Rolle. Diese elektronischen Zusatzeinrichtungen im Auto erhöhen den Komfort und verbessern die Ökonomie. Die Elektroautos übernehmen die zurzeit verfügbaren Systeme nicht nur, für die neue Generation von Fahrzeugen werden diese weiterentwickelt. Besonderes Potential liegt dabei in der Energie- und Reichweitenoptimierung. In dem neuen Modul vermitteln Prof. Dr. Robert Weigel, Leiter des Lehrstuhls für Technische Elektronik, und Dr. Dietmar Kissinger Grundlagen und Entwicklungen drahtloser Fahrassistenzsysteme.
Bund fördert die Forschung und Entwicklung von alternativen Antrieben
Im April 2012 hat die Bundesregierung vier Regionen in Deutschland als „Schaufenster Elektromobilität“ ausgewählt: Bayern-Sachsen, Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg und Niedersachsen erhalten in den kommenden drei Jahren insgesamt 180 Millionen Euro zur Erforschung und Förderung alternativer Antriebe. Das Projekt „Akademische Bildungsinitiative Elektromobilität Bayern/Sachsen“ ist eines von rund 60 Projekten in der Region Bayern-Sachsen. Koordiniert wird die Akademische Bildungsinitiative von der Bayern Innovativ GmbH und der Sächsischen Energieagentur – SAENA GmbH.
Weitere Informationen:
Dr. Tobias Dirnecker
09131/85-28639
tobias.dirnecker@leb.eei.uni-erlangen.de