Dr. Nils Thürey
Der Gewinner des Technik-Oscar 2013 im Interview
Nils Thürey, Jahrgang 1979, wurde in Braunschweig geboren und studierte von 1998 bis 2003 Informatik an der FAU. Anschließend promovierte er am Lehrstuhl für Systemsimulation über die physikalische Animation von Flüssigkeiten und forschte auf dem Gebiet der graphischen Darstellung von Rauch und Wasser in Erlangen und Zürich.
Große Teile meines Studiums sind für meine alltägliche Arbeit relevant.
2008 entwickelte er zusammen mit Kollegen ein Simulationsprogramm von Spezialeffekten, das bereits erfolgreich in mehreren Filmproduktionen angewendet wurde. Die „Wavelet Turbulence Software“ ermöglicht es, aufwendige Features wie Explosionen und Rauch digital zu erstellen.
Im Februar 2013 erhielt er dafür den von der Academy of Motion and Pictures Arts and Science (AMPAS) ausgelobten „Technik-Oscar“ in Hollywood. Er arbeitet jetzt bei Scanline VFX, einem Unternehmen für visuelle Effekte in Vancouver.
Zusammen mit Kollegen haben Sie eine Software für die Simulation von Spezialeffekten entwickelt. Dafür hat die Academy of Motion Pictures Arts and Sciences Ihnen einen Technik-Oscar verliehen. Was war das für ein Gefühl?
Das war tolles Gefühl! So viel Presse-Rummel und Glamour erlebt man sonst als Forscher ziemlich selten. Zudem waren meine Eltern extra für ein Wochenende aus Holland angereist.
Mehrere Oscar-Gewinner haben ihre Statue im Badezimmer stehen. Wo steht ihr Oscar?
Wir haben ja leider „nur“ eine Urkunde und keine Oscar-Statue bekommen − aber die steht bei mir auf dem Wohnzimmertisch.
Können Sie Action-Filme noch ansehen, ohne die Spezialeffekte zu analysieren?
Nein, das geht automatisch, wenn ich Szenen mit Spezialeffekten angucke. Aber ich bin beeindruckt, dass mittlerweile die Qualität der Effekte so gut ist, dass ich mir nicht ganz sicher bin, ob etwas simuliert oder real ist. In den meisten Fällen ist es aber leider noch recht deutlich.
Können Sie sich an das erste Mal erinnern, als Sie einen Spezialeffekt auf der großen Leinwand gesehen haben?
Ja, sogar sehr gut. Das war 2009 in ‚Monsters vs. Aliens‘. Ein Bekannter bei Dreamworks hatte unseren Algorithmus für die finale Explosion des Raumschiffs verwendet. Ich hatte eine riesige, minutenlange Explosion erwartet – am Ende war sie dann in circa zwei Sekunden vorbei. Aber es war toll, dass Dreamworks unser Paper so kurz nach Veröffentlichung verwenden konnte. Das ist mir bei keiner anderen Veröffentlichung passiert.
Worin bestehen Ihre Aufgaben als Informatiker bei einer Filmproduktion?
Als Informatiker kümmere ich mich um die Erstellung der Tools, mit der die „Artists“ die Bilder möglichst komfortabel und schnell erstellen können. Bei Forschungsthemen im Bereich der Spezialeffekte geht es mittlerweile nicht mehr darum, überhaupt etwas hinzubekommen, sondern die Effekte kontrollierbar und am besten interaktiv benutzbar zu machen. Zurzeit braucht es oft immer noch Hunderte von Versuchen, bis etwas so aussieht, wie es soll.
Sie haben an der FAU studiert und promoviert. Was ist Ihre schönste Erinnerung aus dieser Zeit?
Am Lehrstuhl von Prof. Ulrich Rüde wird die Verteidigung der Promotion groß zelebriert. Nach der offiziellen Prüfung gibt es eine „Nachprüfung“, die die Kollegen organisieren: Ich musste unter anderem Cocktails erkennen und Guitar-Hero vorspielen. Und danach ging es eine Runde zum Pleitegeier, zur Havanna-Bar und ins E-Werk…das war super!
Bereits in Ihrer Gymnasialzeit entwickelten Sie ein Computerspiel und während des Studiums gründeten Sie zusammen mit Freunden ein eigenes Unternehmen, die Online-Verkaufsplattform „Wirescout“. Woher kommt Ihre Faszination für Informationstechnologie?
Mich begeistern algorithmische und mathematische Herausforderungen, besonders, wenn dabei am Ende noch schöne Bilder entstehen. Es gibt in der Informatik viele Themen, die sich als Arbeitsbereiche eignen. Wenn ich mir die Entwicklungen am Arbeitsmarkt und in der Technologie-Branche im Allgemeinen ansehe, bin ich glücklich über meine damalige Entscheidung für ein Informatik-Studium.
Warum haben Sie sich für ein Studium an der FAU entschieden?
Das war eine Kombination aus dem guten Ruf der Universität, der netten Stadt und der beeindruckenden Forschungsergebnisse im Bereich der Computer-Grafik von Prof. Hans-Peter Seidl.
Welche Grundlagen für Ihre aktuelle Tätigkeit stammen aus Ihrem Studium und Ihrer Promotion an der FAU?
Sehr viele. Ich denke große Teile meines Studiums sind für meine alltägliche Arbeit relevant. Und während meiner Promotion konnte ich vor allem mein Wissen im Bereich der numerischen Mathematik und der Strömungsmechanik vertiefen.
Sie sind in den Niederlanden zur Schule gegangen, Ihr Beruf führte Sie in die Schweiz, die USA und nach Kanada. Wie kommt es, dass Sie so viel international unterwegs sind?
Mir macht es Spaß, unterschiedliche Länder und Kulturen kennenzulernen. Zudem sind die USA im IT-Bereich sehr stark. Da war es spannend, sich das einmal vor Ort anzusehen. Wahrscheinlich bin ich da auch etwas von meinen Eltern beeinflusst, denn sie sind schon immer gerne umgezogen.
Sie haben an der FAU mit Auszeichnung promoviert und haben zusammen mit Kollegen eine Oscar-prämierte Software entwickelt. Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich würde in der Zukunft gerne etwas weniger oft umziehen. Außerdem ist es für mich wichtig, weiter an Forschungsthemen arbeiten zu können.
Vielen Dank für das Interview.
Interview: Karina Prüßing und Katrin Kochta (März 2013)